Rezension: Die Suche | Nick Louth

by Wolfgang Brandner
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In Amsterdam sterben Menschen. Jeden Tag werden es mehr. Malaria breitet sich in der Stadt aus, übertragen von gezielt ausgesetzten Mücken. Eine könnte helfen: Die Wissenschaftlerin Erica Strout-Jones steht kurz vor dem Durchbruch in der Malaria-Forschung. Doch sie ist spurlos verschwunden – alles deutet auf eine Entführung hin. Ihr Freund Max Carver sucht in der Amsterdamer Unterwelt nach ihr. Max muss wissen, woran Erica zuletzt gearbeitet hat, nur so lässt sich die Katastrophe aufhalten. Seine Suche führt ihn immer tiefer in Ericas Vergangenheit. Was hat sie in den 90er Jahren in Afrika gemacht? Und was hat das mit der Malaria-Epidemie zu tun? Max muss feststellen, dass er Erica kaum gekannt hat, denn was er über sie herausfindet, ist lebensgefährlich … [© Text und Cover: Ullstein Verlag]

Namenlose Callgirls, vergessene Hochzeitstage, endlose Geschäftstage und markige Sprüche – bereits am Beginn des Romans ist mehr Testosteron enthalten als in einer Jahresausgabe des Playboy-Magazins. Hier wird mit skrupellosen Konzernbossen, die Menschenleben zu Aktienkursen verarbeiten, eine Fallhöhe aufgebaut, aus der es natürlich umso spektakulärer zu stürzen gilt. “Wir brauchen keine Heilmittel, sondern Behandlungsmethoden”, wird da das Bild einer skrupellosen Arzneimittelindustrie gezeichnet. Einen harten Kontrast dazu bilden die Tagebucheinträge der verschwundenen Wissenschafterin Erica, die für eine internationale medizinische Organisation in Afrika tätig ist. Ihr entbehrungsreicher Kampf gegen die grassierende Malaria relativiert sämtliche Wertigkeiten und degradiert das Big Business zur kapitalistischen Karikatur.

Die Dramaturgie des Romans orientiert sich präzise an einem Katastrophenfilm Hollywood’scher Machart. Nach der Präsentation des Bedrohungsszenarios – ein unbekanntes, höchst tödliches Malariavirus, das sich in einem europäischen Ballungsraum verbreitet – erfolgt die Erzählung aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Einerseits wird dem Leser der Blick von oben auf das gesamte Ausmaß der drohenden Epidemie vermittelt, andererseits soll die Schilderung von Einzelschicksalen deren Auswirkungen demonstrieren, Empathie erzeugen. Der Leser nimmt also an Beratungen des Krisenstabs in der Kommandozentrale der niederländischen Gesundheitsministerin teil und begleitet sowohl die Forscherin Saskia Sivali im verzweifelten Ringen um das Leben ihrer Tochter als auch einen amerikanischen Künstler auf der titelgebenden Suche nach seiner Freundin, die möglicherweise über den Schlüssel zur Heilung verfügt.

Passend zur Erzählweise ist auch der Protagonist Max Carver als ein typischer Actionheld konzipiert, dessen knackiger Name bereits kompromißlose Schneid impliziert. Lernt man ihn als sensiblen Künstler kennen, offenbart sich rasch seine Vergangenheit bei der Küstenwache, von der er mit überaus praktischen Fähigkeiten ausgestattet wurde. Im Nahkampf nimmt er es ohne zu zögern mit überlegenen Gegnern auf, sucht die Konfrontation mit Mafia-Schlägern und deren hochgezüchteten Kampfhunden, wird von Geheimdiensten für deren Zwecke eingespannt, bricht in alarmgesicherte Luxusapartments ein und überlebt den Anschlag auf eine Bar mit einem Tanklastwagen. Trotz übler Verletzungen bleibt er stets topfit und arbeitet sich unermüdlich weiter durch den Roman. Sollte der Autor mit einer Verfilmung seines Romans liebäugeln, wäre es nicht verwunderlich, wäre wohl Bruce Willis seine Wunschbesetzung. Der ist immerhin auf die Rolle des unverwüstlichen Ex-Cops spezialisiert.

Bemerkenswerterweise ist Max’ Geschichte nur das Brennholz, von dem sich das eigentliche Feuer nährt. Sein Part sorgt für Tempo und filmreiche Action, woran sich der Leser jedoch wärmen kann, was sich ihm durch Gefühl und ins Gedächtnis brennt, das ist das Bangen der Bakteriologin Saskia um ihre mit dem veränderten Malaria-Erreger infizierte Tochter und die bewegende Geschichte um Ericas Verschleppung im Dschungel des Kongo. In Gefangenschaft von Rebellen wird sie gequält, gedemütigt, muß Entbehrungen unter furchtbaren hygienischen Umständen erdulden und hilflos mitansehen, wie ihre Freunde gefoltert werden. Gerade diese Passagen bewegen, machen nachdenklich, erheben den Roman weit über den typisch rasanten Katastrophenthriller.

Unter diesem Gesichtspunkt ist der Titel des Romans, der die Aufmerksamkeit auf Max’ Part reduziert, viel zu kurz gegriffen. Das englische “Bite” wurde hier also sehr frei übertragen, sodaß von einer Unschärfe an der Sprachgrenze wohl nicht ausgegangen werden kann. Dennoch drängt sich das Bedürfnis auf, ein zusätzliches E einzufügen, um den Inhalt besser widerszuspiegeln.

 

Persönliches Fazit

Der Thriller “Die Suche” bietet nicht nur rasante Action für das sommerliche Kopfkino, sondern lenkt auch die Aufmerksamkeit auf den im internationalen Kontext medial vernachlässigten Schwarzen Kontinent.

© Rezension, Wolfgang Brandner

 

Die Suche
Nick Louth (Aus dem Englischen von Peter Friedrich)
Thriller
Ullstein Verlag - ISBN: 9783548287362
2015
Taschenbuch, 416 Seiten
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