Rezension: Der Engel von Graz | Robert Preis

by Wolfgang Brandner
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 Der Engel von Graz

 

 

 

Als eine Leiche ohne Herz auftaucht, wird schnell klar: Eine Mordserie nach historischen Vorbildern erschüttert Graz. Doch Ermittler Armin Trost hat noch ganz andere Probleme, denn sein Partner ist unauffindbar. Eine neue Facette seiner inneren Ängste kommt zum Vorschein, und er muss sich fragen: Wie nah sind sich Himmel und Hölle wirklich? [Text + Cover: Emons Verlag]

 

 

 

 

Spätestens seit Wolf Haas’ “Knochenmann” ist auch das schönste Bundesland Österreichs [Privatmeinung des Rezensenten], die Steiermark zum Revier literarischer Verbrecher geworden, das seit einiger Zeit Claudia Rossbacher für ihre Figuren beansprucht. In die Reihe der üblichen Verdächtigen hat sich nun auch Robert Preis gesellt, wenn es darum geht, zwischen Dachstein und Schöckl gedruckte Morde aufzuklären. Um einen musikalischen Vergleich zu bemühen, wo Rossbacher wie Christina Stürmer klingt, schlägt Preis eher die Töne eines Ludwig Hirsch an. In anderen Worten: Während sie Geschichten wie in goldenes Herbstlicht getaucht erzählt, erzeugt er melancholische Stimmungbilder des undurchdringlichen Grazer Nebelgraus.

Seine Romane um den Kriminalisten Armin Trost sind im Umfeld der Landeshauptstadt angesiedelt und gleichen eher einer Aneinanderreihung atmosphärisch dichter Situationen als einer Krimihandlung. Die kurzen Kapitel sind in einer knappen, komprimierten Sprache verfaßt, die dem Leser ein hohes Maß an Aufmerksamkeit abverlangt. Jedes fehlende Wort würde sich sinnverändernd auswirken, das entstehende harte Textgewebe gleicht einem witterungsresistenten Wetterfleck. Wiewohl die Gefahr bestünde, erstarrt der Autor jedoch nicht in der Statik der Situation, sondern hält den Leser immer wieder mit dynamischen Handlungselementen in Bewegung. Im aktuellen Roman entwickelt die Geschichte um einen Copykiller nach historischem Vorbild eine derartige Kraft, daß sie mit geschärften Konturen stets aufs Neue aus dem Nebelgrau hervorsticht. Auch die Figuren wirken in ihrer Originalität hier wie mit Scheinwerfern ausgerüstet.

Sie tragen sprechende Namen wie Martin Anfänger oder Rainer Maria Hinterher, die Wesenszüge karikaturistisch hervorstreichen und sie beinahe wie allegorische Figuren erscheinen lassen. Allen voran präsentiert sich jedoch Armin Trost (auch dieser Name spricht für sich), der in einer seltsamen Kombination aus Tollpatschigkeit und Draufgängertum wie ein Bindeglied zwischen dem von Bruce Willis verkörperten John McLane und Inspektor Columbo wirkt. Wenn er sich zuweilen in Zynismus übt, ist das seine Art seelischer Hygiene, wenn er sich Verdächtigen gegenüber nonchalant gibt, täuscht dies nur allzu oft über einen ebenso wachsamen wie brillianten Geist hinweg. Von allen äußerlichen Merkmalen wird dem Leser immer wieder Trosts Vollbart ins Gedächtnis gerufen. Diese Gemeinsamkeit teilt er sich mit dem Autor, für den die Gesichtsbehaarung offensichtlich ein Zeichen von Lebenserfahrung darstellt. Um diesen Aspekt auch zu unterstreichen, wird ein unerfahrener junger Journalist, besagter Martin Anfänger, bewußt bartlos präsentiert.

Eine wesentliche Rolle nimmt auch im aktuellen Roman wieder der Journalismus ein. Der Autor, selbst in dieser Branche tätig, schildert ganz ohne jegliche Verklärung einen Arbeitsalltag, in dem umso hektischer auf Tastaturen eingehämmert wird, je näher die Deadline rückt. Der Leser lernt dabei ein im Wandel begriffenes Berufsbild kennen. Es reicht längst nicht mehr, auf der Titelseite den Balanceakt zwischen Pietät und Sensationslust zu vollbringen, auch Facebook-Aufreißer müssen entworfen und minutenaktuelle Newsticker ständig aktualisiert werden. In der Fokussierung auf die Gegenwart, dem Rennen um die neuesten Meldungen konkurrieren Zeitungen nicht mehr nur mit ihresgleichen, sondern sind auch dem Wettbewerb mit Fernsehsendern und Internet-Nachrichtendiensten ausgesetzt. Dabei kommt die Wertschätzung der Vergangenheit oft zu kurz, wie als leise Kritik zwischen den Zeilen zu lesen ist. In einer eigenen Serie widmet sich der Autor Robert Preis für seinen Arbeitgeber, die in der Steiermark auflagenstarke “Kleine Zeitung” einzelnen Aspekten der Geschichte des Landes und hat gerade dafür besondere Sensibilität entwickelt. Die Namensparallele zur “Großen Tageszeitung” im Roman dürfte übrigens nur rein zufällig sein …

Nicht nur der anekdotenhafte Blick auf das Gewesene ist dem Autor ein Anliegen, die nicht ganz neutrale Erzählerinstanz ist immer wieder mit sarkastischen Kommentaren zum Zeitgeschehen zu vernehmen. Die rhetorischen Nadelstiche zielen nicht nur auf lokale Gegebenheiten wie die Situation im Grazer Stadtpark ab, auch dem Einfluß deutscher Fernsehserien auf den Variantenreichtum der österreichischen Sprache und dem Bild des Grazers an sich widmet der Autor schlaglichtartige Gedanken. So heißt es etwa charakterisierend: “Wie kein Österreicher den Wiener mochte, so mochte kein Steirer den Grazer.” Der Erhaltung lokaler steirischer Ausdrücke erweist Robert Preis übrigens einen wichtigen Dienst, indem er sie regelmäßig in den Text einflicht, seinen Figuren in den Mund legt. Ein Glossar am Ende des Buches hilft beim Verständnis, und auch der aus der Steiermark stammende Rezensent ertappte sich beim Nachschlagen.

Dichte Stimmungsbilder der steirischen Landeshauptstadt, die in stakkatoartigen Kapitel intensiv auf den Leser einwirken, dazu ein exzentrischer Ermittler, mit dieser Kombination fühlt sich der Autor sichtlich wohl, an dieser Kombination reift er sichtlich in seinem Stil und schürt die Vorfreude auf den fünften Fall für Armin Trost.

© Rezension, 2015 Wolfgang Brandner

 

Der Engel von Graz
Robert Preis
Kriminalroman
Emons-Verlag - ISBN: 9783954517220
2015
Broschur, 224 Seiten
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