Eine Buchperle: Gehen, um zu bleiben | Anika Landsteiner

by Alexandra Stiller
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Wie ich in die Welt zog, um bei mir anzukommen

 

Wie weit müssen wir fahren, um irgendwann einmal anzukommen? Die Antwort auf diese Frage muss jeder selbst herausfinden, doch das Wichtigste ist erst einmal das Losfahren. Denn wer nicht wegfährt, kann auch nicht heimkommen. Für Anika Landsteiner ist Reisen eine Herzensangelegenheit, die sie bereits um die ganze Welt geführt hat. Nur wenn man das warme Nest zu Hause verlässt, kann man sich für die Welt öffnen und das entdecken, was man liebt – auch wenn es manchmal mit Strapazen verbunden ist. Mit ihren Beobachtungen und Gedanken zeichnet sie manchmal das große Bild, manchmal spürt sie Zwischentöne auf – ob auf Dschungelpfaden in Kolumbien oder einem staubigen kalifornischen Highway. Der richtige Zeitpunkt zum Losfahren? Immer genau jetzt! [Text & Cover: © Goldmann Verlag]
Wer mich schon ein bisschen kennt, dem ist sicher schon aufgefallen, dass ich gerne Bücher über die Themen Reisen und Lebenserfahrungen lese. Sehr gerne auch in Verbindung miteinander. Ich verfolge natürlich auch einige Blogs, die sich mit diesen Themen beschäftigen. Ganz besonders angetan hat es mir der Blog Ani denkt. – geführt von Anika Landsteiner. Ani lebt in München und absolvierte eine Ausbildung zur Schauspielerin, schlug dann die journalistische Laufbahn ein und führt zudem eben diesen ganz wunderbar inspirierenden Reiseblog. Schon seit einer Weile lese ich ihre sehr authentischen und lebensnahen Beiträge mit Begeisterung und freute mich sehr, dass nun auch ein Buch erschienen ist, in dem sie uns nun auch offline mit auf Reisen nimmt.

 

Schon ihr Blog ist so erfrischend anders. Ani denkt ist ein sehr literarischer Reiseblog, voll von Emotionen und Gedanken über das Erlebte, über die Menschen, die Kultur, über das was sich hinter den Kulissen abspielt. Und genau das spiegelt sich in ihrem Buch „Gehen, um zu bleiben“ wider. In 15 Episoden lässt sie uns teilhaben an 15 ganz besondere Reiseerfahrungen, die sie nachhaltig prägten. Nachhaltigkeit ist ein Stichwort, denn das liegt ihr besonders am Herzen – und das spürt man beim Lesen ihrer Texte. Weniger Konsum, weniger Gepäck, weniger Ballast – mehr das Auge auf das wirklich Wesentliche richten. Das gilt für ihr Leben im Alltag genauso wie auf ihren Reisen. Ihre Taschen sind leicht, Ani reist minimalistisch und fühlt sich dadurch freier. Und genau so ist es. Wie oft schleppt man viel zu viel Dinge mit sich herum? Die Koffer sind schwer, schon bei der Abreise. Dabei reichen so wenig Sachen, man sollte es einfach mal wagen und den Ballast über Bord werfen. Sich von dem unnötigen Konsum trennen. Letztlich wird man nicht wirklich viel (eventuell auch gar nichts?) vermissen.
Reisen in Zeiten wie diesen? Immer wieder hört man vor der Angst zu Reisen, weil „doch gerade so viel passiert“ auf dieser Welt. Aber ist das der richtige Weg? Ist das überhaupt so? Ani macht sich Gedanken dazu in ihrem Buch und einen Absatz habe ich fett markiert, denn er ist so wahr:

„Die Welt ist nicht zu einem gefährlicheren Ort geworden – wir bekommen tragische Ereignisse in Zeiten von Social Media nur heftiger, schneller und hautnah mit.
Statt zu Hause zu bleiben, sollten wir genau das Gegenteil tun: Wir sollten noch viel mehr rausgehen. Internationale Freundschaften knüpfen und kulturelle Unterschiede nicht nur verstehen lernen, sondern zwischen ihnen Brücken bauen.“ (Seite 11)

 

Wer mit Ani durch ihre Texte reist, den erwartet ganz sicher kein typischer Pauschaltourismus, der wird keine ultimativen Tips über die „besten Plätze ever“ oder Berichte über den gerade ganz angesagten „heissen Scheiss“ im Urlaub finden. Wer sich auf ihre Geschichten einlässt, der bricht mir ihr auf zu einem Roadtrip von LA nach San Francisco, überwindet dabei gebrochene Herzen, macht sich Gedanken über das Alleinreisen, erlebt Höhen und Tiefen auf dem Jakobsweg, lernt das gegensätzliche und bunte Leben in Indien kennen, erfährt deren grenzenlose Freundlichkeit und Hilfsbreitschaft, erfährt etwas über die Vielfalt und Schönheit Kolumbiens, über China, Griechenland, Malawi, Sansibar u.v.m.
Wer mit Ani reist, der macht sich mit ihr Gedanken, der taucht mit ihr tief ein in die Geschehnisse und lernt ihren Weitblick und ihre Offenheit schätzen. Nicht immer läuft alles so, wie man es sich wünscht. Offen berichtet sie auch über die Schattenseiten, über Vorurteile, über Rassismus und Schubladendenken.
Sehr berührend ist auch der letzte Text „Heimat oder warum wir gehen“. Was bewegt uns dazu, zu gehen? Warum haben wir so Fernweh, wenn wir zuhause sind. Warum bekommen wir Heimweh, wenn wir unterwegs sind. Was bringt uns das Reisen? Die Antwort muss in der Tat jeder für sich selbst finden. Aber das Reisen kann einem helfen, genau diese Antwort zu finden. Reisen prägt und formt unseren Charakter, macht uns mutig und neugierig. Auf Reisen lernen wir uns selbst am besten kennen.

„Wer nicht wegfährt, kann auch nicht heimkommen“

Ani schafft es ganz wunderbar, das Fernweh zu wecken. Unaufgeregt sind ihre Texte, frisch und wunderbar zu lesen. Persönlich und ehrlich. Aufzeigend, ohne mit dem erhobenen Finger belehrend zu wirken, vermittelt sie, was bewusstes und nachhaltiges Reisen bedeuten kann, wie es uns beeinflussen kann. Einfach mal einen Blick über den Tellerrand wagen, Neues ausprobieren, sich von unnötigem Ballast trennen und losziehen, mit offenen Augen seine Umwelt und seine Mitmenschen wahrnehmen und kennenlernen ….und einfach glücklich sein.

„Glücklich sei bedeutet mutig sein, bedeutet authentisch sein, bedeutet Gefühle zulassen, bedeutet glücklich sein.“

Ich hatte Zuhause auf dem Sofa begonnen, das Buch zu lesen. Stoppte dann aber ganz bewusst und beschloss, es mit auf eine Reise zu nehmen. Gesagt – getan. Und so habe ich nun die letzten Seiten am Meer sitzend genossen. Nach der letzten Seite habe ich das Buch zugeschlagen, über die schier endlose Weite des Meeres geblickt und war … einfach glücklich.
Bücher wie diese bewegen etwas in mir, bringen ein weiteres Steinchen ins rollen, wirken und verändern mich. Nachhaltig. Und darüber bin ich glücklich.

“Die meisten Menschen sind gut. Wollen mit alldem nichts zu tun haben. Sind friedlich wie jeder andere auch, wollen glücklich sein und sicher leben. Die Welt und ihre Menschen sind gut.” (Seite 87) 

© Text und Fotografien: 2017, Alexandra Stiller
Gehen, um zu bleiben | Anika Landsteiner | Goldmann Verlag
2017, TB, 288 Seiten, ISBN 978-3-442-17672-4
 
 
8 comments

Lust zum stöbern und entdecken?

8 comments

Jule D 21. Juli 2017 - 11:11

Liebe Alexandra,
eine wunderschöne und vor allem ausführliche Rezension. Ich habe sie vorerst nur überflogen und eher die Bilder und weniger die Sätze angestarrt, weil das Buch auf meinem SuB liegt und mich im kommenden Monat im Urlaub begleiten wird. Da ich das Buch zunächst selbst entdecken möchte, werde ich wohl demnächst noch einmal zurückkehren und deine Rezension vom ersten bis zum letzten Buchstaben lesen. 🙂
Liebe Grüße
Jule

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Myriam Klatt 21. Juli 2017 - 13:45

Liebe Alexandra,

vielen Dank für diesen tollen Lesetipp. Ich glaube, ich habe damit gerade das perfekte Buch gefunden, mit dem ich in meine eigene lange Reise starten kann. Das dauert zwar noch ein bisschen, aber so kommt noch mehr Vorfreude hinzu! Zumal ich mich jetzt erstmal ausgiebig in Anikas Blog stürzen kann. Also vielen Dank nochmal 🙂

Beste Grüße (nicht vom Strand, aber immerhin dem Balkon),
Myriam

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Chrissis Corrner 1. August 2017 - 19:11

Hey,
ich habe deinen Blog und diese Rezension durch Zufall gefunden. Ich bin gerade erst von meinem “Roadtrip” den ich alleine gemacht habe zurück gekehrt. Seit dem kann ich es kaum erwarten wieder loszuziehen.
Deine Rezension und vor allem die Bilder und Zitate haben es mir angetan. Das Buch kommt auf jeden Fall auf meine Wunschliste!
Und auf dem Blog von anidenkt bin ich gerade auch schon 🙂

Liebe Grüße,
Chrissi
http://chrissis-corner.blogspot.de/

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Alexandra vom Bücherkaffee 2. August 2017 - 11:58

Liebe Jule
Vielen Dank für dein Feedback. Ich bin wirklich sehr gespannt, ob das Buch auch dich so glücklich machen kann, wie es dir gefallen wird. Lass es mich nach deinem Urlaub (der hoffentlich ein Traum wird!) sehr gerne wissen.
Liebe Grüße
Alexandra

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Alexandra vom Bücherkaffee 2. August 2017 - 12:01

Liebe Myriam,

das freut mich sehr, dass ich dich mit meiner Begeisterung anstecken konnte und hoffe, dass es dir auch so gut gefallen wird. Anikas Geschichten sind wahrlich ein toller Reisebegleiter. Lass mich gerne wissen, wie es dir gefallen hat, ich bin da sehr neugierig. 🙂
Liebe Grüße, Alexandra

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Alexandra vom Bücherkaffee 2. August 2017 - 12:03

Liebe Chrissi,
das freut mich, dass du uns entdeckt hast und gleich einen Buchtipp mitnehmen kannst. Was für einen Roadtrip hast du denn gerade gemacht, bzw. wo bist du unterwegs gewesen? Ja, das Reisefieber kann einen ganz schnell wieder packen, ich verstehe das nur zu gut. 🙂
Ich bin gespannt, wie dir das Buch gefallen wird.
Liebe Grüße, Alexandra

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Franzis 13. August 2017 - 19:19

Huhu liebe Alexandra,

das hast du wirklich wunderschön beschrieben, alleine dank deiner Rezension will ich das Buch schon haben. Aber auch die Zitate selbst gefallen mir sehr sehr gut und solche Art von Büchern über das Reisen finde ich auch viel besser, als klassische Reiseberichte. Ihren Blog kannte ich auch noch nicht, also auch für diesen Tipp vielen Dank. Am 13.9 gibt sie hier in München eine Lesung, da werd cih wohl jetzt auf jeden Fall hingehen und das Buch nehm ich mir dann mit nach Göteborg mit Anfang Oktober, auch wenn es nur 3 Tage sind, ist es bestimmt entspannt, abends mal reinzulesen :).

glg Franzi

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Jana 26. August 2017 - 19:15

Das Buch hört sich richtig gut an, das kommt auf meine Wunschliste 🙂

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