Rezension: Wir beide, irgendwann | Jay Asher &  Carolyn Mackler

by Alexandra Stiller
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Mai 1996 – Emma bekommt von ihrem Vater zum sechzehnten Geburtstag einen brandneuen Computer geschenkt, der sogar schon Windows 95 kann. Emma ist begeistert, denn nun kann auch sie endlich mal das Internet testen, von dem gerade alle reden. Von Josh, ihrem Nachbarn und besten Kumpel, erhält sie zudem eine begehrte AOL-CDRom mit 150 Freiminuten und so legt Emma sich sofort eine eigene Mail-Adresse an und wartet auf den Aufbau der Internet-Seite. Was sie da allerdings zu sehen bekommt, verwundert sie sehr: Eine Seite baut sich Bild um Bild auf, die sich Facebook nennt. “Was soll das sein?” fragt sich Emma. “Noch nie gehört …”

Und warum sieht sie Bilder einer Frau, die auch noch den gleichen Namen trägt wie sie, die laut den Beiträgen die gleiche Schule besucht hat, die gleichen Freunde hat, die gleiche Halskette trägt… – Moment! Emma stellt erschrocken fest: Das ist sie selbst in 15 Jahren! Es gibt keinen Zweifel. Doch leider scheint ihre Zukunft nicht so rosig zu sein. Die ihres Kumpels Josh dagegen um so mehr, wie sie feststellt. Denn auch er besitzt eine solche Facebook-Seite. Emma und Josh beschließen, niemandem von dieser merkwürdigen Seite aus der Zukunft zu erzählen. Doch an Emma nagt es – und als sie feststellt, das sie mit ihrem Tun in der Gegenwart die Zukunft beeinflussen kann, beginnt sie ein gefährliches Spiel mit fatalen Folgen …

Das Autoren-Duo Jay Asher und Carolyn Mackler haben in Zusammenarbeit einen Roman erschaffen, der den Leser durch seine Frische und Leichtigkeit in den Bann zieht. Die Geschichte spielt sich im Jahr 1996 ab – doch das Thema des Buches ist Brandaktuell! Mit Facebook kann sich heute ein jeder identifizieren. Heute gehört man schon eher zur Minderheit, wenn man keinen eigenen Account besitzt. Facebook ist in unserem Leben so normal und alltäglich geworden wie telefonieren oder Fernsehen schauen. Und gerade hier liegt die Faszination: Der Roman entführt uns in eine Zeit vor Facebook. In eine Zeit, in der gerade erst das Internet populär wurde. Facebook existierte zu dieser Zeit noch nicht – außer bei Emma und Josh auf dem Bildschirm. Zukunftsmusik sozusagen – und wir als Leser müssen immer und immer wieder lächeln über die Entdeckungen, die die beiden mit dieser Seite machen. Den Autoren ist eine perfekte Verknüpfung von Vergangenheit und Zukunft (also unserer heutigen Gegenwart) gelungen. Viele Leser können sich gut mit den beiden Protagonisten identifizieren – so auch ich selbst. Emma war 1996 nur ein wenig jünger als ich selbst und so vieles kam mir bekannt und so vertraut vor wie zum Beispiel die Musik, die sie in ihrem Discman oder in ihrem Kasettenplayer (!) im Auto hört. Es werden definitiv nostalgische Gefühle in den Lesern geweckt. Und daher kann man “Wir beide, irgendwann” ganz getrost der Kategorie “All Ager” zuordnen. Denn dieses Buch wird jung und alt begeistern!

Der Schreibstil ist zudem sehr locker und leicht und unglaublich fließend zu lesen. Die Kapitel, die zudem sehr kurz gehalten sind, rauschen nur so dahin und man liest das Buch trotz der 395 Seiten quasi am Stück durch. Das Buch ist unterteilt in zwei Handlungsstränge, die sich Kapitel für Kapitel abwechseln. Der erste Handlungsstrang handelt von Emma, der zweite von Josh – beide werden aus der “Ich”-Perspektive erzählt und lassen viel Einblick in die Gedankenwelt der beiden zu. Emma, eher impulsiv, nachdenklich und auch störrisch-dickköpfig, entwickelt sehr schnell eine gewisse Besessenheit, was Facebook betrifft. Geleitet von ihrer vermeintlichen Entdeckung, in der Zukunft eher unglücklich zu sein, lässt sie nichts unversucht, dies zu ändern. Sie verbeisst sich da regelrecht und vergisst dabei vollends, in der Gegenwart zu leben und diese zu genießen. Ständig grübelt sie darüber, was für Auswirkungen ihr Tun auf ihre Zukunft haben könnte.

Josh ist eher besonnen und skeptisch – und auch vernünftig. Natürlich ist er sehr angetan davon, dass seine Zukunft Tolles für ihn bereit hält, aber er weiß auch, dass er nicht bewusst Dinge herbeiführen darf. Er merkt sehr schnell, dass Emmas Spiel sehr gefährlich ist und nicht abzuschätzende Kettenreaktionen in Gang setzt. Das Augenmerk ist auch eindeutig auf die beiden – Emma und Josh – gerichtet und die anderen Darsteller werden eher oberfachlich dargestellt. So ist der Leser auch nicht vom Hauptgeschehen abgelenkt.

“Wir beide, irgendwann” hat mich persönlich unglaublich fasziniert. Das Buch, oder besser gesagt, das Thema ist unglaublich frisch und vor allem noch neu. Oftmals zieht man ja bei bestimmten Themen unbewusst einen Vergleich zu schon gelesenen Büchern mit ähnlichen Themen. Dies blieb bei diesem Buch vollends aus, weil ich nichts ähnliches kannte. Ich habe mich bestens unterhalten gefühlt und mich sehr gut in die Protagonisten hineinversetzen können. Vor allem in Emma – denn ihre Reaktion ist fast schon ein wenig verständlich, wenn ich darüber nachdenke. Was wäre, wenn ich heute einen kleinen Einblick in meine Zukunft bekäme und nicht zufrieden wäre damit??? Ich könnte nicht sagen, wie ich tatsächlich reagieren würde. Jay Asher und Carolyn Macker möchten uns eine Botschaft vermitteln: Wir sollen JETZT leben und unsere Zeit genießen, Freunde treffen, das Leben auskosten und die Zukunft auf uns zukommen lassen. Kurzum: Einfach das beste aus unserem Leben machen. Ein wahrlich rundum gelungenes Jugendbuch, dass eindeutig als “All Ager” auch Erwachsene begeistern wird. Es ist witzig, spritzig und frisch geschrieben, kurzweilig geschrieben und lädt ein zum Lachen, zum Träumen und zum Mitfiebern, aber auch immer wieder zum Nachdenken.

© Rezension: Alexandra 
3 comments

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3 comments

his + her books 30. Juli 2012 - 5:54

Fand das Buch auch so toll! Und ich denke, dass die Erwachsenen sogar noch etwas anderes davon haben: nostalgische Momente! Denn welcher Jugendliche kann etwas mit 56k-Modems anfangen oder sich an die Zeit vor den FlatRates erinnern? 😉
Sehr schöne Rezension!
Glg
Steffi

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Kora 9. Februar 2013 - 21:14

Für deine erfrischende Rezension gibt's von mir zweifelsohne ein “Gefällt mir”! Mein Entschluss das Buch UNBEDINGT lesen zu wollen, hat sich soeben nochmals gefestigt. Danke dir!

Beste Stöbergrüße,
Kora

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Beatrix Petrikowski 9. Juli 2016 - 14:30

Das ist wirklich ein gelungenes Buch, das die jungen Leute so schnell wohl nicht aus der Hand legen.

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