Rezension: Fieber am Morgen | Péter Gárdos

by Marcus Kufner
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Im Juli 1945 wird Miklós, ein junger Ungar, nach Schweden gebracht. Er hat das KZ Bergen-Belsen überlebt, besteht nur noch aus Haut und Knochen, Zähne hat er auch keine mehr. Sein Arzt gibt ihm sechs Monate. Doch er hat andere Pläne. 117 junge Frauen aus Miklós’ Heimatstadt haben wie er die Vernichtungslager überlebt und es nach Schweden in Erholungsheime geschafft. Jeder einzelnen von ihnen schreibt er einen Brief. Eine dieser Frauen wird er heiraten, das hat er sich fest vorgenommen. Hunderte Kilometer entfernt liest Lili seinen Brief und beschließt, ihm zu antworten. Brief um Brief verlieben sich die beiden ineinander. Im Dezember 1945 treffen sich Miklós und Lili zum ersten Mal. Sie haben nur drei Tage. Und lieben sich vom ersten Augenblick. Nun müssen sie nur noch einen Weg finden, wie sie heiraten können. Und Miklós darf nicht sterben. [© Text und Bild: Hoffmann und Campe Verlag]

 

Viele Bücher wurden geschrieben über die Grauen der Konzentrationslager, über die Täter und über die Opfer. Péter Gárdos Roman, der die Geschichte seiner Eltern erzählt, beginnt danach. Die meisten Überlebenden sind in einem jämmerlichen Zustand, abgemagert und krank. Auch Miklós besteht nur noch aus Haut und Knochen, und er leidet an Tuberkulose. Er ist fünfundzwanzig, als er mit vielen anderen Ungarn nach Schweden verschifft wird, um ärztlich betreut zu werden und sich von den Entbehrungen zu erholen.

Wie lebt man weiter, nachdem man so Unvorstellbares durchleiden musste? Aus der Heimat gerissen und ins Lager gesteckt, jetzt auch noch auf unbestimmte Zeit im fernen Schweden. Und wer von der Familie hat überhaupt überlebt? So viele Verwandte und Freunde sind zu betrauern. Muss man daran nicht zerbrechen? Davon ist bei Miklós nichts festzustellen. Auch von der Diagnose des Arztes, die ihm nicht mehr viel Zeit gibt, will er nichts wissen. Er hat andere Pläne. Ich bewundere ihn, wie er trotz der Widrigkeiten so selbstverständlich optimistisch ist.

 

Das Buch ist vor allem eine Liebesgeschichte. Miklós’ Briefaktion ist wahrlich ungewöhnlich, er bekommt aber durchaus einige Antworten. Und so lernt er Lili kennen, die für ihn die richtige ist. Leider ist es für die beiden sehr schwer, sich zu treffen. Zum einen sind sie hunderte Kilometer voneinander entfernt und sie haben nicht das Geld für eine Zugfahrt, zum anderen geben die Ärzte nicht die Erlaubnis für die Reise, da das Miklós’ Gesundheitszustand das nicht zulässt und Herrenbesuch im Frauenlager nicht gerne gesehen wird. Doch unser Held lässt nichts unversucht, um sein Ziel zu erreichen.

 

Persönliches Fazit

Eine Liebesgeschichte mit dramatischem Hintergrund, da darf es auch mal emotional werden. Da Péter Gárdos hier eine wahre Begebenheit schildert, ist sie immer glaubwürdig. Ich habe mit dem sympathischen Helden mitgefiebert, wie er mit erstaunlicher Hartnäckigkeit gegen alle Widerstände kämpft.

© Rezension: 2016, Marcus Kufner 

Fieber am Morgen
Péter Gárdos (Aus dem Ungarischen von Timea Tankó)
Roman
Hoffmann und Campe Verlag - ISBN: 9783455405576
2015
gebunden, 256 Seiten
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