Zum mittlerweile vierten Mal stolpert Maria Konstanze Schlager, genannt “MörderMitzi”, in eine Mordermittlung. Die lebenslustige gebürtige Steirerin hat ein besonderes Talent, in die Fälle ihrer besten Freundin, der Tiroler Polizistin Agnes Kirschnagel zu geraten und irgendwie zu deren Lösung beizutragen. Dabei beginnt alles ganz zivilisiert und unblutig: Mitzi hat sich von ihrem Freund getrennt und ist auf der Suche nach einer neuen Wohnung in Salzburg.
Das Grundstück, das ihr ihre verstorbene Großmutter vermacht hat, will sie daher einem alten Freund ihrer Familie, dem Bauer Severin Radl verkaufen. Agnes ist inzwischen schwanger, ihr Freund Axel, der eine Detektei in Köln betreibt, plant den Umzug zu ihr nach Kufstein. Unterdessen werden die auf ähnliche Weise zugerichteten Leichen zweier Mädchen gefunden und durchbrechen das mit alltäglichen Sorgen gesprenkelte Idyll. Der Begriff “Serienmörder” weckt die Aufmerksamkeit der Presse und lastet schwer auf Agnes’ Schultern.
Wenn Isabella Archan als Autorin auf dem Cover des Buches aufscheint, sind im Inneren Situationskomik und skurrile Persönlichkeiten zu erwarten. Diesmal trifft Mitzi etwa auf einen Portier, der sich mitten in der Nacht als ein Gentleman der alten Schule erweist und dessen Gegenwart die Atmosphäre alter Sisi-Filme erzeugt. Ein Bauunternehmer hat Schwierigkeiten, seinen Sexualtrieb unter Kontrolle zu halten, sodass die anzüglichen Bemerkungen nur ein ungenügendes Ventil dafür darstellen. Dessen Kompagnon ist ein baumlanger Schweizer, der sich seinen Akzent abtrainiert hat und dessen Geschmack für Kleidung auf einen Werbevertrag mit einem exzentrischen Designer schließen lässt.
In Graz war sie geboren, in Leibnitz erwachsen geworden, und seit einigen Jahren wohnte sie in der Mozartstadt. Ein wenig wie ein Korken im Wasser trieb sie umher, fasste nirgendwo Fuß, ließ niemand in ihr Herz. Doch, eine schon: Agnes.
Maria Konstanze Schlager ist keine typische Ermittlerin (nicht einmal eine untypische), sondern überwindet mit viel Entschlossenheit die Hürden, die ihr der Zufall auf den Weg wirft. Sie ist grundsympathisch und leicht naiv. Weil sie ihr Herz auf der Zunge trägt, kommt sie leicht mit anderen Menschen in Kontakt – und eröffnet sich so eine Vielzahl an Gelegenheiten. Sie hat das Staunen nicht verlernt und nimmt ihre Umgebung aus einer Perspektive wahr, die man als kindlich (im besten Sinne) bezeichnen könnte. Außerdem zeichnet sie ein überdurchschnittliches Maß an Empathie aus – was in einer Zeit empathischer Anämie schon als subtile Gesellschaftskritik ausgelegt werden kann.
‘Der Sensenmann.’ Mitzi flüsterte.
‘Der was?’
‘Ich nenne ihn so.’ Mitzi hob die Hände, als wolle sie um Verständnis bitten. ‘Ich muss den Dingen Namen geben, um sie einzuordnen. Die eingemauerte Tote habe ich Nelly getauft.’
Um noch beim Schubladendenken zu bleiben, Cosy Crime ist von allen Untergattungen der Kriminalliteratur wohl die magen- und nervenfreundlichste. Die obligaten Verbrechen sind zumeist von Gartenpflanzen überwuchert, von kulinarischen Köstlichkeiten geschmacklich überlagert oder in den Zwischenräumen des Privatlebens versteckt. Diese Charakaterisierung trifft voll auf den vorliegenden Roman von Isabella Archan zu. Den (gefühlt) meisten erzählerischen Raum beansprucht Mitzis geerbtes Grundstück und ihr Bemühen, dessen Verkauf in Einklang mit dem Andenken an die verstorbene Großmutter zu bringen.
In Agnes’ Leben ist der Beruf hinter ihrer Schwangerschaft nur zweitrangig. Der aufzuklärende Fall gibt den Rahmen vor und ist praktischerweise ein Cold Case. Akuter Zeitdruck entsteht erst, als Agnes entführt wird und die Geschichte damit Kurs auf das Finale nimmt. Und zwischen Spaziergängen im malerischen Niederösterreich und Mitzis Mahlzeiten nimmt auf der anderen Seite des Buches immer wieder die innere Miss Marple die möglichen Verdächtigen unter die Lupe.
Persönliches Fazit
Der vierte Teil der Mördermitzi-Serie von Isabella Archan ist kein nevernaufreibender Thriller, in dem sich das Schicksal der Welt entscheidet. Der Band ist auch ohne Vorkenntnis lesbar, sinnvoll ist aber, sich an die Reihenfolge zu halten. In diesem Fall stellt sich behutsam der Serieneffekt ein: Der jeweilige Mordfall wird immer mehr zum Vorwand, um Lesezeit mit liebgewordenen Figuren zu verbringen.
© Rezension: 2022, Wolfgang Brandner
Blogtransparenz: unbezahlte Werbung; kostenloses Rezensionsexemplar vom Verlag – vielen Dank an den Emons Verlag.
Krimi
Emons Verlag | ISBN: 978-3-7408-1397-0
2022
Klapperoschur
336 Seiten
emons-verlag.de