Verlage im Rampenlicht: Die Edition Nautilus

by Jürgen Fottner
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Headerbild zum Interview: Verlage im Rampenlicht - Im Gespräch mit kleinen, unabhängigen Verlagen. Heute: Die Edition NautilusHerzlich willkommen zu unserer Rubrik  Verlage im Rampenlicht. In dieser Reihe stellen wir euch spannende, unabhängige Verlage vor, die mit viel Herzblut und Kreativität die Literaturlandschaft bereichern. Gerade diese kleinen Verlage haben es oft schwer, sich im großen Markt zu behaupten, und verdienen daher unsere besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung.

Heute haben wir die Ehre, die Edition Nautilus zu interviewen. Wir freuen uns, einen Blick hinter die Kulissen werfen zu dürfen und mehr über die Menschen und Geschichten zu erfahren, die diesen Verlag einzigartig machen. Viel Spaß beim Lesen!

  • Stell dich und den Verlag kurz vor. Wie bist du zur Verlagswelt gekommen? Seit wann gibt es den Verlag, und wie viele Bücher erscheinen pro Jahr?

Edition Nautilus - Picandet Katharina

Katharina Picandet | Edition Nautilus

Ich bin Katharina Picandet, und ich bin auch nicht „die Verlegerin“, sondern Teil des Nautilus-Kollektivs, das aus fünf Leuten besteht: Klaus Voß, der Dienstälteste und jetzt nur noch in Teilzeit, früher unser Hersteller, heute Korrekturleser; Franziska Otto, zuständig für Presse und Veranstaltungen in der Belletristik, Katharina Bünger, zuständig für Vertrieb, Marketing und für den Teil der Herstellung, den wir nicht außer Haus geben, und Timo Schröder, zuständig für Presse, Veranstaltungen und Lektorat im Sachbuch. Ich selbst kümmere mich um Rechte und Lizenzen sowie das Lektorat, vor allem in der Belletristik.

Wir sind sozusagen die zweite Generation, den Verlag selbst gibt es seit 50 Jahren, gegründet damals von Lutz Schulenburg, Pierre Gallissaires und Hanna Mittelstädt. Nach dem plötzlichen Tod von Lutz im Jahr 2013 haben wir als neu gegründete GmbH den Verlag 2016 übernommen und die kollektiven Strukturen seitdem auch vertraglich etabliert, der anarchistische und kollektive Geist war aber auch schon vorher da.

Ich selbst bin Ende der 1990er, am Anfang meines Studiums (Deutsche Sprache und Literatur, Geschichte und Philosophie), über ein Praktikum dazugestoßen; erst im Vertrieb, dann in der Presse und seit ca. 2003 in meinem jetzigen Bereich. Ich war von Anfang an begeistert von dem Programm und auch vom kollektiven Arbeiten – ist vielleicht eher selten, dass man mit Anfang zwanzig so ganz genau weiß: Hier will ich hin und hier will ich bleiben, und das fast dreißig Jahre später noch immer so sieht. Aber bei mir war es so. 

Edition Nautilus © Andreas Hornoff

Edition Nautilus © Andreas Hornoff

Wir veröffentlichen so zwischen 16 und 20 Bücher pro Jahr, ziemlich streng zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst, kommen unsere neuen Titel in den Handel. Etwa zwei Drittel davon sind politische Sachbücher, ein Drittel Belletristik, und fast die Hälfte sind Übersetzungen – was allerdings, zugegeben, ökonomisch eher unvernünftig ist. Aber die Bücher sind halt so toll! 

  • Was macht euren Verlag einzigartig? Gibt es einen bestimmten Schwerpunkt oder eine Philosophie, die ihr verfolgt?

Einzigartig ist sicherlich unsere Kollektivstruktur – wir haben zwar Zuständigkeiten und berufen natürlich nicht für jeden Briefmarkenkauf erst eine Vollversammlung ein, aber alle relevanten Entscheidungen treffen wir doch nur einstimmig: Welche Titel nehmen wir ins Programm? Wie soll unser Messestand aussehen? Machen wir einen Aufruf zur Unterstützung des Verlags und wenn ja, wie? Und auch sonst gibt es viel Austausch und Absprache z.B. darüber, welche Pressestrategie man für welchen Titel macht, ob und wo man Werbung schaltet, wir geben alle unsere Kommentare zu geplanten Katalogtexten ab usw.

Und eigentlich kann jeder einzelne von uns im Kollektiv von den anderen vertreten werden, weil im Grunde alle alles wissen. Das hat sich in der Coronazeit etwa als sehr günstig erwiesen – diejenigen, die nicht so viel Zeit hatten, weil sie sich um kleinere Kinder kümmern mussten oder krank waren, deren Arbeit wurde von den anderen gemacht. Ohne dass irgendwelche Fehl- oder Überstunden aufgerechnet wurden. Und das ist im Grunde gelebte Ideologie, wenn man so will, wirklich marxistisch: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.

Wir priorisieren immer wieder, welche Tätigkeiten sind jetzt unverzichtbar, wie teilen wir sie auf, was kann wer übernehmen? Und zu genau solchen gesellschaftlichen Fragen – Was ist gerecht? Wo besteht Ungleichheit? Was kann man wo dagegen machen? Welche gelebten Utopien gibt es? – machen wir auch Bücher, das sind die Fragen, die uns interessieren. Die Form ist dabei eher frei, wir verlegen das, was uns begeistert, und in der Belletristik z.B. durchaus Bücher, die nicht im engeren Sinne „politische Literatur“ sind. Aber wir sehen die wichtigen Fragen dort eben doch gestellt, wenn auch nicht immer beantwortet. Also unsere Philosophie ist vielleicht: Möglichst viel richtiges Leben im Falschen. 

  • Welche Herausforderungen begegnen einem kleinen und unabhängigen Verlag im Vergleich zu größeren Verlagen bzw. Verlagsgruppen?

Meiner Einschätzung nach sind die Probleme im Grunde für alle Verlage dieselben, größere und von Konzernen gestützte Häuser haben nur mehr Marktmacht, mehr Titel, auf die sie das unternehmerische Risiko verteilen können, und sicher auch ein größeres Budget für Werbung. Aber das Problem ist im Grunde äußerlich und auch nicht wegzudiskutieren: Es gibt mehrere Millionen weniger Menschen als noch vor zehn Jahren, die lesen und Bücher kaufen, nachweislich.

Es schließen mehr Buchhandlungen, als neue aufmachen, und viele sind selbst am Existenzminimum. Literaturveranstalter reduzieren ihr Programm und konzentrieren sich auf vermeintlich sichere Publikumsmagneten, probieren immer weniger aus. Literaturformate in allen Medien werden zusammengelegt oder gestrichen, es gibt also immer weniger Rezensionen von immer weniger Büchern aus immer weniger Verlagen. Das heißt, unser Publikum nimmt in absoluten Zahlen ab und unsere Sichtbarkeit für dieses Publikum auch. 

Solange man einige gut verkäufliche Bücher hat und sich bei den anderen nicht total verkalkuliert, geht alles eine ziemlich lange Zeit noch so einigermaßen, aber der Kuchen wird eben immer kleiner. Nun ist die Verlegerei schon immer Teil der Glücksspielbranche gewesen, man setzt ja immer neu auf neue Titel, und manchmal liegt man genau richtig, manchmal voll daneben, manchmal gibt es auch unerwartete Erfolge. Aber in den letzten Jahren ist es doch wirklich zunehmend mühsamer, unkalkulierbarer und härter geworden, zumal auch die stabile Backlist als Querfinanzierung eingebrochen ist. 

  • Welche Maßnahmen aus der Politik und den Branchenverbänden sind aus Deiner Sicht sinnvoll und vor allem notwendig?

Aus den Branchenverbänden sollte vor allem Aufklärung kommen, und das kommt sie ja auch. Es gab das Plakat >> Wer bekommt was vom Buch?“ von der Kurt-Wolff-Stiftung, in dem z.B. die Kostenstruktur der Buchbranche erklärt wird und gezeigt, wie gering die Margen pro Buch sind, dass das Ganze nur über die Menge der verkauften Bücher funktionieren kann.

Und natürlich die Unverzichtbarkeit einer Förderung, da ist die Arbeit der Kurt-Wolff-Stiftung sehr wichtig – und damit habe ich schon die Maßnahmen aus der Politik angesprochen: Ohne eine strukturelle Verlagsförderung wird es wohl leider auf die Dauer nicht mehr gehen. Genauso wenig wie bei Programmkinos, Orchestern oder Theatern. Die Strukturen sind einfach schwach geworden.

Der ehemaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters war das ja ein wichtiges Anliegen, sie hat auch die Studie dazu in Auftrag gegeben, die genau diesen Bedarf zum Ergebnis hat. Claudia Roth hat, scheint mir, andere Prioritäten und natürlich auch andere Haushaltsvoraussetzungen. Aber es bleibt halt dabei, dass es Millionen Leser weniger gibt. Dass man es jetzt nicht den Gesetzen des Spätkapitalismus oder einer „unsichtbaren Hand des Marktes“ überlassen darf, für den Erhalt einer hochwertigen, diversen und thematisch breiten Literatur- und Sachbuchproduktion zu sorgen, ist wohl schon unmittelbar einsichtig.

Und eine strukturelle Verlagsförderung käme ja auch nicht nur den Verlagen direkt zugute, sondern die Verlage geben ja Aufträge und damit Lebensunterhalt für eine ganze Branche von freien Berufen: Illustrator*innen, Buchgestalter*innen, Übersetzer*innen, Agenturen und so weiter, von Autor*innen mal ganz zu schweigen. Die alle sind ja ohne Einkommen, wenn die Verlage eingehen. 

  • Gibt es ein Buch oder eine Veröffentlichung, auf die du besonders stolz bist? Was macht es so besonders für dich?

Oh, das gibt es schon mehrere, erfolgreiche und weniger erfolgreiche. Aber so direkt gefragt, möchte ich gerne auf Jean Malaquais’ Roman Planet ohne Visum hinweisen, weil das auch so eine schöne Geschichte ist: Die Übersetzerin Nadine Püschel hat uns das Buch schon 2013 vorgeschlagen, ein dicker Roman, in Frankreich 1947 veröffentlicht, der im Jahr 1942 in Marseille spielt, in der gerade noch freien Zone, als Verfolgte aus ganz Europa über den Marseiller Hafen das rettende Amerika zu erreichen versuchen, kurz bevor die Deutschen die Stadt einnehmen. Der Autor selbst ist auch im letzten Moment geflüchtet.

Dieses Buch also hat uns schon damals unheimlich gut gefallen, aber es ist ein dicker Roman und die Übersetzung schlug mit einem fünfstelligen Betrag zu Buche, es war einfach nicht machbar, außerdem hatten wir nach dem Tod von Lutz Schulenburg damals auch zu viel anderes im Umbruch und zu tun, um so ein Projekt zu stemmen. Aber dann gab es von der Bundesregierung 2021 das Programm „Neustart Kultur“, mit einer wirklich gut konzipierten Übersetzungsförderung, da konnten wir gleich nach der Ausschreibung den fertigen Antrag inklusive Exposé und Kostenvoranschlägen usw. einreichen, bzw. die Übersetzerin hat das eingereicht, und es hat geklappt, die Kosten für die Übersetzung wurden voll übernommen.

Zum Zeitpunkt der Drucklegung waren dann die Papierkosten explodiert bzw. es herrschte ja sogar Papierknappheit, aber wir haben dann das Buch natürlich drucken lassen, zu enormen Kosten – und es hat sich gelohnt! Auch die Presse war begeistert, besonders nach einem 8-minütigen Beitrag auf 3sat Kulturzeit kurz vor Weihnachten 2022 hat sich das Buch dann gut verkauft. Allerdings ist inzwischen auch hier die Nachfrage wieder stark zurückgegangen, die letzte Nachauflage war im Rückblick dann vielleicht doch zu hoch. Wie gesagt: Glücksspielbranche. 

  • Wie bzw. nach welchen Kriterien wählt ihr im Verlag die Bücher und Autor*innen aus?

Vor allem müssen die neuen Bücher in unser Profil passen, also im Sachbuch z.B. ins recht breite linke Spektrum passen, das wir vertreten. Wir sind kein Bewegungsverlag und schon gar keine Bischofskonferenz, wir publizieren durchaus auch Bücher, bei denen wir nicht selbst hinter jedem einzelnen Satz stehen, aber wenn die Titel interessante und wichtige und vor allem möglichst neue Beiträge zu einer gesellschaftspolitischen Debatte sind oder eine solche im deutschsprachigen Raum gar neu stiften, dann immer her damit.

Gleichzeitig können wir uns bei unserem schmalen Programm nicht selbst Konkurrenz machen, also zwei inhaltlich oder auch nur thematisch ähnliche Bücher kurz hintereinander, das ist auch wieder schwierig. Idealerweise füllen neue Bücher eine Lücke im Programm, und was gerade fehlt, verändert sich ja auch immer wieder. Und natürlich ist auch die Einschätzung aus unserer Presse- und Vertriebsabteilung wichtig, ob wir für dieses Buch in den Medien und im Handel genügend Aufmerksamkeit bekommen können. Oder ob wir denken: Tolles Thema, aber schon eher Nische und wir erreichen dieses Zielgruppe mit unseren Kontakten wahrscheinlich nicht… 

In der Belletristik ist es ähnlich, da kommt zum Thema noch so etwas schwer Definierbares hinzu wie die Aura oder Atmosphäre des Buchs, wie wir einschätzen, wem das gefallen könnte. Die Kristallkugel gehört also zum Handwerkszeug, oder die Würfel? Und natürlich die lange Diskussion im Kollektiv! 

Man muss bedenken: Wir bekommen ungefähr 10-15 sogenannte Unverlangteinsendungen von Autor*innen pro Woche, darunter prüfen wir schon nur die, die gemäß Exposé wirklich thematisch passen könnten. Zusätzlich machen uns Agenturen und ausländische Verlage, mit denen wir schon lange zusammenarbeiten, Projektvorschläge; Freund*innen und Fans des Verlags auch immer wieder, Übersetzer*innen (siehe Nadine Püschel), und nicht zuletzt sichten wir selbst z.B. auf den Buchmessen auch die Rechtekataloge der ausländischen Verlage, die ein ähnliches Profil haben wie wir. Und ab und zu reagieren wir auch auf bestimmte Themen oder Anlässe, Jubiläen oder so: zum 100. Geburtstag von Frantz Fanon im nächsten Jahr bringen wir schon in diesem Herbst die Biografie von Alice Cherki in einer überarbeiteten und ergänzten Neuausgabe heraus.

  • Was war bisher der größte Erfolg und die größte Herausforderung in der Geschichte des Verlags?

Der größte Erfolg war ganz klar Andrea Maria Schenkels Roman Tannöd, Mitte der 2000er, davon haben wir insgesamt mit allen Lizenzausgaben fast eine Million Exemplare verkauft. Das war so ein Once-in-a-lifetime-Erfolg. Aber auch Shumona Sinhas Romane, besonders Erschlagt die Armen!, oder Sven Reckers Der Afrik waren schöne Erfolge in den letzten Jahren, Jérôme Leroys tolle Krimis, oder im Sachbuch Der kommende Aufstand vom Unsichtbaren Komitee, um nur zwei zu nennen.

Die größte Herausforderung? Vielleicht, wie für alle, die Pandemiezeit, und eigentlich noch mehr die jetzige Lage… 

  • Wie sieht dein / euer Arbeitsalltag im Verlag aus? Gibt es Aufgaben, die du / ihr besonders gerne machst?

Tja, wo soll ich da anfangen? Ich mag schon sehr die Arbeit an den Texten und den Austausch mit Autor*innen, Agent*innen und überhaupt mit interessanten und interessierten Menschen. Aber ehrlich gesagt, den ganzen Tag und immer nur an Texten arbeiten oder mit Autor*innen reden, das würde mir und auch denen irgendwann wohl auch fade, man muss dann doch auch mal in die Handarbeit, sonst wird ja am Ende auch kein Buch draus!

Für mich ist das Großartige an unserer Arbeitsweise, dass wir bei allem, was zu tun ist, wissen, warum es zu tun ist, dass wir gemeinsam entschieden haben, dass es zu tun ist, und dass wir wissen, wenn es einem wirklich zu viel ist, helfen die anderen auch mit. Mit diesem Wissen kommt man auch sehr gut durch vermeintlich langweiligere Tätigkeiten wie Pakete packen oder die quartalsweise Meldung von Einkünften aus Lizenzen aus Ländern außerhalb der EU ohne Doppelbesteuerungsabkommen nach §50a beim Bundeszentralamt für Steuern (schauder…)

  • Wie geht ihr mit dem Wandel in der Verlagsbranche um, insbesondere mit der Digitalisierung und dem E-Book-Markt?

Der E-Book-Markt ist für uns jedenfalls definitiv ein Zusatzgeschäft, wir haben überhaupt nicht den Eindruck, dass die Verkäufe hier die Verkäufe des gedruckten Buchs zurückgehen lassen. Auch aus meinem privaten Umfeld glaube ich, dass sich auch viele Leute E-Books kaufen, deren Bücherregal zu Hause einfach voll ist und die sich sonst das Buch nicht gekauft hätten, oder die es zu schätzen wissen, wenn sie in den Urlaub nur ein kleines Lesegerät mitnehmen und nicht zehn dicke Bücher. Allerdings ist es bei uns recht auffällig nach Sparte getrennt: Sachbücher und Krimis gehen gut bis sehr gut als E-Books, unsere Belletristik hingegen kaum. 

Und die Digitalisierung allgemein, naja, da gehen wir eher mit der Zeit als dass wir Avantgarde wären, aber im Alltag macht es vieles schon einfacher und praktikabler. 

  • Welche Rolle spielt der direkte Kontakt zu den Leser*innen?

Der spielt natürlich auch eine Rolle, auf unseren Social-Media-Kanälen und auch bei Messen oder Büchertischen, wir haben anlässlich unseres Verlagsjubiläums auch Einladungen in Buchhandlungen angenommen, den Verlag vorzustellen, und das ist dann ja auch vor dem Lesepublikum direkt. Das ist schon interessant, das Feedback der Leser*innen direkt zu bekommen – da stellt man doch fest, dass diese Leserschaft zum Teil ganz andere Fragen hat, als man so dachte. 

  • Wie sehr helfen Eurem Verlag die sozialen Medien? Ist das ein echter Mehrwert? Und seht Ihr durch den Hilferuf auf Instagram erste Erfolge?

Ja, das ist wirklich toll. Wir sind so gerührt und dankbar – über die vielen Buchbestellungen und sogar Spenden, aber auch über die Feststellung, dass unser Verlag doch geschätzt wird und so viele Menschen ihn wichtig finden. Dass wir unsere Bücher also doch für die Leser*innen und nicht fürs Lager produzieren.

Was da bestellt wurde, bis tief in die Backlist hinein, auch so viele Lieblingstitel, die damals eher Flops waren – vielleicht erwachen einige Titel so zu neuem Leben, wer weiß? Nicht wenige der Menschen, die reagiert haben, kennen wir als Autor*innen, Agent*innen, Autor*innen, Kolleg*innen… quer durch die Branche. Aber ganz viele Namen kennen wir auch gar nicht, also auf diesem Weg: Dank an die Unbekannten! 

Das Team der Edition Nautilus

Das Team der Edition Nautilus

  • Hast du einen Tipp für angehende Autor*innen, die gerne bei einem unabhängigen Verlag veröffentlicht werden möchten?

Ja: Prüft genau, ob Euer Buch wirklich ins Profil des Verlags passt. Und zwar durch Lesen von dessen Büchern, nicht nur durch Anschauen der Homepage und Wiederholen des Verlagsmottos im Anschreiben. Wenn Ihr die Frage, warum Euer Buch ausgerechnet bei diesem Verlag erscheinen muss, ehrlich und begründet beantworten könnt, dann, würde ich sagen, habt Ihr eine gute Chance. Zumindest auf wohlwollende Prüfung. 

  • Wie wichtig sind Veranstaltungen wie Buchmessen und Lesungen? 

Lesungen sind schon wichtig für die Sichtbarkeit, oft bleiben Leser*innen Autor*innen lange treu, die sie auf einer schönen Lesung kennengelernt haben. Auch für die (Lokal-)Presse ist eine Lesung oft ein guter Anlass, ein Buch doch noch zu rezensieren, das vorher im Feuilleton keinen Platz gefunden hat. Aber es ist ein mühsames Geschäft, das durch alle möglichen äußeren Umstände torpediert werden kann: zu gutes Wetter, die Leute gehen lieber grillen? zu schlechtes Wetter, die Leute gehen nicht aus dem Haus? EM-Viertelfinale? 

Bei internationalen Autor*innen muss dann auch noch die Übersetzung und Betreuung geklärt werden, die teurere Anreise und Übernachtung sowieso. Wir organisieren das, haben es aber ein wenig zurückgefahren zugunsten der herkömmlichen Pressearbeit, weil es unheimlich zeitintensiv ist und auch weniger aussichtsreich geworden ist. Aber wenn deutschsprachige Autor*innen da selbst schon ein Netzwerk haben, ist es wunderbar. 

Buchmessen haben für uns einen anderen Zweck, vor allem in Frankfurt trifft man eher Fachleute, die sind aber natürlich auch wichtig zum Austausch und Netzwerken und für neue Projekte. 

  • Welche Projekte stehen aktuell an? Auf welche Neuerscheinungen dürfen sich die Leser*innen demnächst freuen?

Das Herbstprogramm wird im September ausgeliefert, manche Bücher sind schon gedruckt, manche noch im Druck, manche werden noch korrekturgelesen, aber es gibt viel, auf das man sich freuen kann: auf den ersten aus dem Indonesischen übersetzten Buch der Verlagsgeschichte, Die Leute von Oetimu von Felix K. Nesi – man erfährt in einem harten, aber dennoch humorvollen Roman sehr viel über die Geschichte Timors, und wer kann schon von sich behaupten, sich da auszukennen?

Oder auf die schöne Novelle von Franz-Maria Sonner über Gregor Mendel, den wir vor allem wegen seiner Vererbungsgesetze kennen und über den Sonner ein zartes, konzentriertes Porträt geschrieben hat: Gregor Mendel begegnet dem Schicksal. Oder, ganz großartig und eine wirkliche Entdeckung, übrigens wieder mal dem Übersetzer, nämlich Robert Brack, zu verdanken: Jake Lamar, ein US-amerikanischer Krimiautor, von dem wir hoffentlich noch viele Bücher übersetzen lassen können, wir starten mit einer bösen schwarzen (im doppelten Wortsinn) Krimi-Campus-Komödie, Das schwarze Chamäleon. Das wird wirklich jedem gefallen, da bin ich sicher!

Anlässlich des 50. Verlagsjubiläums haben wir auch einen Blick zurückgeworfen und mit Der Sprung aus der Zeit ein Best of von Franz Jung im Programm, dessen 14-bändige Werkausgabe ja sozusagen das Meisterstück des Verlags ist. Im Sachbuch gibt es neben der bereits erwähnten Fanon-Biografie ein sehr beeindruckendes Memoir zu häuslicher Gewalt in den Flugschriften, Gewalt im Haus von Barbara Peveling, und als heiter-fröhliches Gegenstück dazu die Sexkolumnen aus dem Missy Magazine, mit dem schönen Titel Fickt euch!

  • Wie siehst du die Zukunft der Buchbranche? Wie können kleine Verlage langfristig bestehen? Was müsste bewegt bzw. geändert werden?

Als geborene und gelernte Optimistin sehe ich die Zukunft gewissermaßen dunkelrosa – die Verlegerei macht so glücklich, dass ich denke, es finden sich immer Menschen und Wege, um damit weiterzumachen. Aber ohne eine strukturelle Förderung, siehe oben, wird der Weg wohl ziemlich steinig, nicht nur für uns, sondern für alle kleinen Verlage.

  • Möchtest du unseren Leser*innen noch etwas mit auf den Weg geben? Ein persönliches Statement oder eine kleine Botschaft?

Vielleicht den ein wenig abgewandelten Slogan der Liste unabhängiger Verlage in Hamburg:

Verwandeln Sie Geld in Bücher, denn Lesen macht klug und unabhängig! 

Es ist immer wieder faszinierend, hinter die Kulissen der Verlagswelt zu blicken und die Leidenschaft zu spüren, die in jedem einzelnen Buchprojekt steckt. Vielen Dank, dass ihr uns und unseren Leser*innen einen so persönlichen Einblick in eure Arbeit gegeben habt. Wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg und freuen uns darauf, noch viele spannende Bücher aus eurem Verlag entdecken zu dürfen!

Euer Team von Bücherkaffee.de
Verlage im Rampenlicht: Ein Projekt von Alexandra Stiller & Jürgen Fottner

 

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2 comments

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2 comments

Markus 13. August 2024 - 20:18

Eine tolle Aktion! Wirklich spannend, dieser Einblick in den Verlag. Ich freue mich jetzt schon auf die nächsten Interviews

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Alexandra Stiller 6. September 2024 - 10:52

Danke dir, das freut uns sehr! Die nächsten Interviews sind mittlerweile sogar schon online! Viel Freude

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