Rezension: Die Herzen der Männer | Nickolas Butler

by Marcus Kufner
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Die Herzen der Männer

In den Augen seines Vaters ist Nelson eine Enttäuschung. Wer will schon ein Kind, das weder Freunde noch Selbstbewusstsein besitzt? Je intensiver der verunsicherte Junge sich nach Zuwendung sehnt, desto stärker sondert sich der Vater ab, bis er irgendwann ganz aus dem Leben seines Sohnes verschwindet. Doch in einem Punkt hat er sich getäuscht. Nelson ist nicht allein. Jonathan, sein bester Freund aus dem Pfadfinderlager, ist das genaue Gegenteil von Nelson: bei allen beliebt, pragmatisch und mit einer unverwüstlichen Leichtigkeit ausgestattet. Was aber treibt jemanden wie Jonathan dazu, sich mit einem Außenseiter anzufreunden? Und stand Jonathan wirklich immer so rückhaltlos zu ihm? Das Leben im rauen Wisconsin verlangt Nelson, Jonathan und dessen Familie Prüfungen ab, die Freundschaft und Loyalität auf eine harte Probe stellen. [© Text und Cover: Klett-Cotta Verlag]

„Die Herzen der Männer“ ist ein Titel, der mich auf den ersten Blick abschreckt, klingt er doch sehr nach einem Roman voller Gefühlsduselei, was so gar nicht mein Ding ist. Gut für mich, dass das irreführend ist, denn auch wenn es bewegende Momente gibt, folgt das Buch dieser Vorahnung nicht.

Im ersten Teil des Romans begleiten wir den fünfzehnjährigen Nelson im Jahr 1962 ins Pfadfinderlager. Er ist ein Außenseiter, hat praktisch keine Freunde dort und erlebt einige unangenehme Dinge. Für mich ist dieser Teil allerdings etwas zu lang geraten und hat mich dramaturgisch nicht sehr gefesselt. Die gute Charakterisierung von Nelson und seinen Eltern und vor allem die Sprache haben mich aber trotzdem bei der Stange gehalten. Von Beginn an habe ich mich mit Nickolas Butlers schnörkelloser aber schöner Ausdrucksweise sehr wohl gefühlt und habe sie bis zum Ende genossen.

Die Herzen der Männer 2

Mit dem Sprung ins Jahr 1996 im zweiten Teil des Buchs wird die Handlung interessanter. Hier gibt es immer wieder Rückblenden, was die bis dahin lineare Story streut und kurzweiliger macht. Nelson hat hier nur noch eine Nebenrolle. Statt dessen werden Jonathan, den Nelson vom Pfadfinderlager kennt, und dessen Familie in den Mittelpunkt gerückt. Sowohl dieser Wechsel als auch die Veränderung der Zeit bringen mehr Breite ins Buch und reflektieren die Werte von Familie und damit verbundenen Erwartungen und Enttäuschungen.

Die Verbindung zwischen den Beteiligten sind die Pfadfinder. Über Generationen besuchen die Teenager das Lager. Dient es der Erziehung, werden dort Jugendliche zu guten Menschen gemacht? Oder ist die strikte Organisation dieser Bewegung eine perfekte Vorbereitung für den Militärdienst? Einige der Protagonisten spüren die Folgen ihres Dienstes im Zweiten Weltkrieg, in Vietnam oder in Afghanistan. Das beschreibt Butler eher mit leisen Worten, die aber durchaus wirken und zeigen, dass Krieg mit Heldentum nichts gemein hat.

»Ich hoffe, dass du in deinem Leben niemals in den Krieg ziehen musst, aber wenn du es doch musst, dann … dann ist es vielleicht genau das, was dich vor dem Wahnsinnigwerden bewahrt, schauen ohne zu sehen.« (S. 146)

Was befindet sich denn nun in den Herzen der Männer? Natürlich nicht nur schwarz und weiß, sondern auch alles dazwischen. Auch mit den besten Absichten werden manchmal andere verletzt. Aber was kann man mehr verlangen, als das Streben darum, ein besserer Mensch zu sein?

»Ich habe in meinem Leben sowohl Feiglinge als auch Helden kennengelernt«, sagt er. »Die Helden haben sich immer von ihren Herzen leiten lassen und die Feiglinge von ihrem Verstand. Vergiss das nicht. Helden kalkulieren nicht und kalibrieren nicht. Sie tun einfach nur, was richtig ist.« (S. 253)

 

Persönliches Fazit

Mit seinem hohen sprachlichen Niveau konnte mich Nickolas Butler von Beginn an mitnehmen. Die Story hat dagegen eine Weile gebraucht, bis sie Fahrt aufgenommen hat. Die starke Charakterisierung macht das allerdings wett. Ein Buch, das einen tief(sinnig)en Blick in „Die Herzen der Männer“ erlaubt.

© Rezension: 2018, Marcus Kufner

 

Die Herzen der Männer
Nickolas Butler (Aus dem Amerikanischen von Dorothee Merkel)
Roman
Klett-Cotta Verlag - ISBN: 9783608983135
2018
gebunden, 477 Seiten
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