Sunjeev Sahota | Das Porzellanzimmer

by Alexandra Stiller
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Sunjeev Sahota | Das PorzellanzimmerSunjeev Sahota nimmt uns in seinem mehrschichtigen Roman „Das Porzellanzimmer“ mit in das indische Dorf Punjab in den 20er Jahren und vermittelt uns ein eindrucksvolles und intensives Bild vom Leben in dieser Zeit. Inspiriert dafür wurde Sunjeev Sahota durch die eigene Familiengeschichte, denn auch seine indische Urgroßmutter wurde mit viel zu jungen Jahren verheiratet, ohne ihren Mann vorher je gesehen zu haben. Arrangierte Ehen waren üblich, kleine Mädchen wurden schon früh den Söhnen anderer Familien versprochen.

Sunjeev Sahota wurde durch deine eigene Familiengeschichte inspiriert.

In seiner Geschichte steht dieses Schicksal der jungen Mehar bevor. Zusammen mit zwei anderen Mädchen wird sie zur Farm der Witwe Mai gebracht und dort in das „Porzellanzimmer“ gesperrt, einem mit Gittern versehenen Raum, in dem sie zusammen schlafen und in dem die wenige Mitgift der Schwiegermutter aufbewahrt wird. Sie werden an die drei Söhne verheiratet, dürfen diese jedoch nicht sehen. Wenn sie nicht arbeiten, muss der Blick unter dem Schleier stets gesenkt sein. So kennen sie nur die Füße und die Stimmen ihrer Ehemänner.

Wenn sie des Nachts für den Beischlaf bereit sein müssen, um möglichst schnell Söhne zu zeugen, dann findet dies in einem stockdunklen Raum statt, der nur das Erahnen vom Umrissen zulässt. Nur die herrische Mai, die ein strenges Regiment auf dem Hof führt, weiß, welche Frau zu welchem ihrer Söhne gehört. Doch Mehar lässt sich nicht unterkriegen und sucht nach Schlupflöchern und Möglichkeiten, dem Zimmer zu entfliehen. Dabei kommt sie einem der Söhne näher als erlaubt und die beiden schmieden Pläne, um aus diesem schrecklichen System auszubrechen und zu fliehen.

Ob ihnen diese Flucht gelingt, das erfahren wir in einem zweiten Erzählstrang, in dem ihr Urenkel siebzig Jahre später aus England nach Punjab reist. Er erlebte als Kind von Einwanderern tagtäglich Rassismus und Diskriminierung und suchte Zuflucht und Vergessen im Drogenrausch. Um zu Genesen, kehrt er zu seinem Wurzeln nach Indien und landet so auf dem Hof, wo Mehars Schicksal seinen Lauf nahm.

“Das Porzellanzimmer” von Sunjeev Sahota ist ein sehr gut konstruierter und feiner Roman mit einer wunderbar lebendigen, schönen Sprache. Absolut lesenswert.

** Übersetzung: Ulrike Wasel & Klaus Zimmermann**

2024, Alexandra Stiller
Transparenz: selbstgekauft

Das Porzellanzimmer
Sunjeev Sahota | Übersetzung: Ulrike Wasel & Klaus Zimmermann
Roman
hanserblau | ISBN 978-3-446-27388-7
2023
Hardcover
240 Seiten
www.hanser-literaturverlage.de

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