Rezension: Die Bücherschmuggler von Timbuktu | Charlie English

by Marcus Kufner
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Die Bücherschmuggler von Timbuktu 1

Timbuktu ist ein Mythos – einst so reich, dass angeblich sogar die Sklaven Goldschmuck trugen, verfügt die abgelegene Stadt am Niger über einen ganz besonderen Schatz: eine der größten Bibliotheken mittelalterlicher Schriften. Als im Jahr 2012 die Stadt in die Hände von Islamisten fällt, droht die Vernichtung der Bücher. Doch eine Gruppe von Bibliothekaren und Archivaren schmuggelt die Bücher unter Lebensgefahr aus der Stadt. Eine große, meisterhafte Reportage über Menschen, die sich mutig der Vernichtung eines Wissensschatzes und Erbes der Menschheit entgegenstellen – und eine Zeitreise zu einer sagenumwobenen Stadt. [© Text und Cover: Hoffmann und Campe Verlag]

Vor ein paar Jahren geriet Mali in die Schlagzeilen, als Islamisten Teile des Landes in ihre Gewalt brachten. Erst ein internationaler Militäreinsatz unter französischer Führung konnte die Rebellen zurückdrängen. Noch heute ist auch die Bundeswehr dort im Einsatz, um den Frieden zu sichern. Dass in der Wüstenstadt Timbuktu zehntausende Manuskripte aufbewahrt werden, manche davon über fünfhundert Jahre alt, war mir nicht bekannt. Was würden die Dschihadisten mit ihnen machen? Die Gefahr der Vernichtung war groß.

Ich finde es unerträglich, wenn religiöse Fanatiker meinen, nur ihre Wahrheit sei die einzige Wahrheit. Da werden absurde Regeln aufgestellt, die scheinbar aus heiligen Büchern abgeleitet sind, nur um Macht und Gewalt gegen andere auszuüben. Das bekommen auch die Einwohner Timbuktus zu spüren, als 2012 die Malischen Truppen nach Süden zurückgedrängt werden.

Nach Einführung der Scharia im April durch Ansar Dine war es zu Massenhinrichtungen gekommen, es hatte Auspeitschungen und Amputationen gegeben. Einer Frau war das Ohr abgeschnitten worden, weil sie einen zu kurzen Rock getragen hatte. Was würden diese Leute jemandem antun, den sie beim Abtransport von Manuskripten erwischten? (S. 165)

Ein paar Bibliothekare wollen ihre Schätze nicht der Willkür der Besatzer überlassen und organisieren den Transport in den von Regierungstruppen gehaltenen Süden. Dass sich Menschen unter Einsatz ihres Lebens zu einer solchen logistischen Herausforderung bereit erklären und sich ihrer Kultur gegenüber verpflichtet fühlen, finde ich sehr bewundernswert.

Die Bücherschmuggler von Timbuktu 2

Ich verfolge Charlie Englishs dramatischen Bericht mit großer Spannung. Er erzählt aber nicht nur von diesen aktuellen Ereignissen, sondern wechselt auch zu Historischem. Das bringt Abwechslung ins Buch und macht den Text auch wesentlich interessanter, als wenn er nur die Geschichte chronologisch durchlaufen würde.

Auch die Beschreibungen der ersten Versuche der Europäer, in das kontinentale Afrika vorzudringen, sind packend. Was hätten die im 18. Jahrhundert für Satellitenfotos gegeben? Außer den Küsten war das Land praktisch nur ein weißer Fleck auf der Karte. Krankheiten, für die es noch keine Impfungen gab, und feindliche Tuaregstämme brachten vielen Forschern den Tod. Dass mitten in Afrika Schriftdokumente gefunden wurden, war für die Europäer kaum zu glauben, hat man sich die Afrikaner als zurückgeblieben vorgestellt. So kann man sich täuschen!

Die Bücherschmuggler von Timbuktu 3

Gegen Ende des Buchs äußerst sich Charlie English kritisch gegenüber einigen Aussagen der Bibliothekare bezüglich der Anzahl der geretteten Schriften und auch bezüglich der Dringlichkeit ihrer Rettung. Das hat mich doch etwas verwirrt, denn im Laufe seines Berichts hat er dazu keine Zweifel angemeldet. Aber auch wenn die Zahlen frisiert wurden, die Leistung und der Einsatz der Bibliothekare und ihrer Helfer sind aller Ehren wert!

 

Persönliches Fazit

„Die Bücherschmuggler von Timbuktu“ ist ein packendes Dokument über eine dramatische Aktion zur Rettung von historischen Schriften. Abwechslung bringt der Wechsel zwischen diesen aktuellen und historischen Ereignissen ins Buch. Eine spannende wie interessante Lektüre.

© Rezension: 2018, Marcus Kufner

 

Die Bücherschmuggler von Timbuktu
Charlie English (Aus dem Englischen von Henning Dedekind und Heike Schlatterer)
Sachbuch
Hoffmann und Campe Verlag – ISBN: 9783455503722
2018
gebunden, 432 Seiten
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