›So wirst du stinkreich im boomenden Asien‹ erzählt die erstaunliche und dramatische Geschichte eines Mannes, der sich von einem verdreckten und kränklichen Jungen aus der verarmten Provinz zu einem korrupten Großunternehmer wandelt, und beruft sich dabei auf die Art von Selbsthilfebüchern, wie sie zu Tausenden im heutigen Asien von jungen, hoffnungsvollen Männern gelesen werden. Der namenlose Held kommt in einer riesigen Millionenstadt zu erstem Geld und baut sich alsbald ein eigenes Imperium auf – mit dem wichtigsten und knappsten Gut, das man sich denken kann: mit Wasser. Doch sein Herz hat er für immer verloren an das hübsche Mädchen, dessen Stern parallel zu seinem aufgeht. Immer wieder kreuzen sich ihre Lebenswege in dieser Liebe zueinander, entzündet und erloschen von den Kräften ihrer jeweiligen Schicksale. Der Held dieser brillanten Geschichte könnte jeder von uns sein – auf der Suche nach einem besseren Leben. Und nicht nur das: Auch das Schicksal, das ihn erwartet, könnte das unsere sein … Tempogeladen, lebhaft und emotional tiefgehend erzählt dieser Roman von zwei unvergesslichen Menschen zwischen Momenten transzendenter Intimität und aufwühlenden gesellschaftlichen Veränderungen in der Welt von heute
Mohsin Hamid gelingt es auf eine unglaublich gewitze, bissige und unterhaltsame Art und Weise, seine Leser zu fesseln und zu integrieren, indem er seinen Roman als eine Art Ratgeber auftreten lässt. Einen Ratgeber, der mich direkt mit ‘Du’ anspricht und mich quasi anstupst und auffordert. Dieser ganz besondere Erzählstil bindet, nein- fesselt den Leser regelrecht ans Geschehen und man vermag es kaum, dieses tiefgründige und absolut facettenreiche Werk aus der Hand zu legen. Der Autor trifft die wunden Punkte der boomenden asiatischen Welt und nagelt sie fest und zeigt mir gleichzeitig, weil ich es schaffe, hier nicht unterzugehen, sondern mir mein großes Stück dieser immer größer werdenden Torte zu sichern. Natürlich gehört auch eine mal kleine, mal größere Portion Glück dazu, aber ist das nicht immer und überall so?
Eine korrupte, eine erbarmungslose Gesellschaft, in der man unterzugehen droht – außer man öffnet die Augen und sieht sie Chancen, die sich gleichzeitig auftun. Chancen, die zwar auch fragwürdig, aber trotzdem Chancen sind. Willst du stinkreich im boomenden Asien werden, musst du kreativ und einfallsreich sein und deine Chancen ergreifen, egal wie rücksichtslos diese erscheinen mögen.
Eine raue Gesellschaft fordert eine raue Schale um einen weichen Kern.
Der namenlose Held, der als Paradebeispiel für den außergewöhnlichen Ratgeber herhält, fasziniert auf seine ganz besondere Weise. Sein Ehrgeiz, sein Durchhaltevermögen, seine Ideen – ein Junge, der keine Arbeit scheut, der nach vorne blickt und selten zurück, der zu einem wahren Geschäftsmann heranwächst. Ein Junge, der aufzeigt, dass man selbst aus der ärmlichsten und ausweglosesten Situation mit dem richtigen Händchen und der richtigen Portion Glück ‘stinkreich’ werden kann. Denn ist es nicht das, was viele im tiefen innersten wollen? Stinkreich werden? Doch wann ist man wirklich stinkreich? Wenn der Geldbeutel voll ist? Wenn die Taschen aller korrupten Stellen gefüllt sind, alles bezahlt ist und trotzdem noch genug übrig bleibt? Wenn man es geschafft hat, von der Wellblechhütte ins eigene Haus zu ziehen, vor dem halt dann aus Sicherheitsgründen besser ein Leibwächter stehen sollte?
Wann ist man wirklich stinkreich?
Vielleicht auch erst dann, wenn das schöne Mädchen an der Seite steht und ein Lächeln auf ihren Lippen liegt? Indem der Autor des vermeidet, seinen Protagonisten als auch den Handlungsorten Namen zu geben, bewahrt er ein Stück Anonymität. Ein jeder von uns könnte damit gemeint sein. Eine Situation, wie sich sich an jedem x-beliebigen Ort im ‘boomenden Asien’ abspielen könnte.
Was bewirken die Globalisierung, der explosiver Bevölkerungswachstum, die mit fast Lichtgeschwindigkeit voranschreitende Technisierung auf die Menschen selbst und auf den gesamten Weltmarkt. Wie verändert es das Leben selbst? Der Autor legt ein unglaubliches Tempo vor und zeigt es uns anhand dessen wunderbar auf. Gerade mal 224 Seiten umfasst dieser Ratgeber der besonderen Art und doch begleiten wir den Protagonisten schon fast in Zeitraffer von seiner Geburt bis zu seinem Tod. Schnörkels, gradlinig, immer das Ziel vor Augen und doch gibt es da immer wieder eine Abzweigung, ein kleiner Ausbruch, das schon fast wie eine Art Bodenständigkeit, eine Art Wurzel wirkt: das hübsche Mädchen. Jahrelang aus den Augen verloren, im Herzen aber immer präsent, laufen sie sich doch immer wieder im Leben über den Weg.
Der Ratgeber weißt darauf hin, sich auf das wesentliche im Leben zu konzentrieren. Und meines Erachtens trifft für den Protagonisten, der auch du oder ich sein könnte, nach einem langen Weg genau dies am Ende ein. Kein Geld, keine Statussymbole – nein, er konzentriert sich auf sein persönlich Wesentlichstes: das schöne Mädchen…
Mein persönliches Fazit
Eine scharfsinnige, grundehrliche und bissige Satire, die in Ratgeberform einen etwas anderen Einblick in das ‘boomende Asien’ gewährt – und doch fehlt es ihr nicht an Warmherzigkeit, Liebe und Würde. Ein Roman, der einem aufgrund seines hohen Tempos wie eine Achterbahnfahrt vorkommt und mich quasi fast atemlos zurück ließ. Ein ‘Ratgeber’ der besonderen Art, aus dem sich ein jeder seinen ganz persönlichen Rat herausziehen kann, der aber mit Sicherheit JEDEN erst einmal eine ganze Weile lang nachdenklich zurück lassen wird.
© Rezension: 2013, Alexandra Zylenas