Schon eine Weile ruhte “Renate Hoffmann” auf meinem Reader und wartete darauf, gelesen zu werden. Da ich im Laufe der Zeit einige wirklich sehr gute Besprechungen zu dem Roman gelesen hatte, beschloss ich, mich endlich dieser Geschichte zu widmen – und ich habe es zu keinem Moment bereut!
Zu Beginn war ich etwas zögerlich aufgrund des speziellen Erzählstils der Autorin, doch das legte sich recht schnell und die besondere Atmosphäre des Romans nahm mich gefangen. Ich lernte Renate Hoffmann, eine Münchnerin Mitte Dreißig, kennen, die mir fortan meistenteils nur als “Frau Hoffmann” begegnete. Kein Renate, keine sonstigen Freundlichkeiten, nein: schlicht und ganz emotionslos Frau Hoffmann. So prägte sie sich mir auch zuerst ein. Eine stille, zurückgezogene graue Maus, die um keinen Preis der Welt auffallen mag. Sie lässt keine unnötigen Gefühle zu, legt keinen Wert auf ihr Äußeres oder Annehmlichkeiten in ihrem Leben. Sauber muss es sein, praktisch und es darf um Himmels Willen nicht ihren geordneten Alltag durcheinanderbringen. So ist sie, die Frau Hofmann. Monotonie pur. Aber so kalt, wie sie sich gibt, ist es tief in ihrem Inneren doch nicht. Denn sonst würde sie sich nicht auf dem Balkongelände wiederfinden – bereit, dem allem ein Ende zu setzen. Doch beenden kann sie ihr Vorhaben nicht. Ist es Schicksal? Ist es ihr nicht bestimmt, aus diesem tristen Leben zu entfliehen?
Einmal die “Gedankenmaschine” im Kopf in Gang gesetzt, lässt sich diese nun nicht mehr stoppen. Sie lässt, inspiriert durch das Beobachten der Nachbarn, den Gedanken freien Lauf. Vielleicht zum ersten Mal seit über sieben Jahren. Seit jenem tragischen Ereignis, dass sie zu dem Menschen machte, der sie heute ist. Das Ereignis, dass Renate in ein tiefes Loch riss, aus dem Frau Hoffmann schließlich herauskletterte. Doch der Schutzwall bröckelt. Ihr akribisch kontrollierter Selbstschutz scheint sich aufzulösen. Ihre eigenen Gedanken verändern Frau Hoffmann, Schritt für Schritt…
Anne Freytag ist es wunderbar gelungen, Renate Hoffmanns innere Zerrissenheit darzustellen. Die Rückblicke in die Vergangenheit offenbaren Schritt für Schritt, was aus dem einst lebhaften jungen Mädchen eine so emotionsloses Mauerblümchen machte. Die Geschichte wirkt dabei zu keiner Zeit überzogen oder gekünstelt. Ganz im Gegenteil: sie ist so nah am Leben, so authentisch. Wenn man sich während des Lesens einmal bewusst in seinem Umfeld (zum Beispiel bei der nächsten Zugfahrt) umschaut, dann wird man feststellen, dass “Frau Hoffmann” in so einigen stecken könnte (und es wohl auch leider des Öfteren tut).
Obwohl die Geschichte tief berührt und nachdenklich stimmt, belastet sie aber keineswegs. Auch hier muss ich der Autorin ein ganz großes Lob aussprechen für den sehr feinfühligen Humor – eingesetzt an genau den richtigen Stellen und der tiefgründigen Thematik angemessen. Ich ließ mich auf die Geschehnisse ein und wurde Renate eine treue Begleiterin. Es fiel mir regelrecht schwer, das Buch aus der Hand zu legen, da ich mit ihr mitlitt, mitfieberte, trauerte und lachte.
Persönliches Fazit:
Nachdem ich das Buch beendet hatte, ärgerte ich mich – und zwar über mich selbst! Da ruhte diese Buchperle so lange auf dem Reader und ich habe sie nun erst für mich entdeckt. Anne Freytag konnte mich voll und ganz überzeugen und ich habe die Seiten des Romans geradezu inhaliert. Eine tiefgründige und sehr einfühlsame Geschichte mitten aus dem Leben, die ich nur jedem dringend als Herz legen kann. Eine Lebensweisheit, die ganz wunderbar zu diesem Roman passt und an die ich während des Lesens sehr oft denken musste. Deshalb möchte ich Sie gerne noch anbringen: »Lebe in der Vergangenheit, wenn du traurig sein willst. Lebe in der Zukunft, wenn du ängstlich sein willst. Und wenn du glücklich sein willst, dann genieße den Moment.«
© Rezension: 2014, Alexandra Zylenas
freytag Literatur | ISBN 13: 978-1484097205
2013
Taschenbuch mit 300 Seite, eBook mobi und epub
2 comments
Schön, dass dir das Buch auch so gut gefallen hat. Ich habe es geliebt 🙂
Grüße
Mareike
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