Sandra Mohrs fünfter Fall
Von Sonntag, 3. November bis zum Freitag, 8. November erstreckt sich der aktuelle Fall von Sandra Mohr und Sascha Bergmann, als Jahr ist dabei unschwer 2014 auszumachen. Jedem der erzählten Tage ist dabei ein Kapitel gewidmet, wiederum unterteilt in mehrere Unterkapitel. In bewährter Weise ermöglicht diese Gliederung Zeitsprünge und Ortswechsel, bietet dem Leser dezent eine Chronologie. Die Erzählung erfolgt überwiegend in personaler Perspektive aus der Sicht von Sandra Mohr, mit der sich ihre geistige Mutter offensichtlich wohl vertraut fühlt. In der Referenz auf das ermittelnde Duo wird der weibliche Part zumindest stets mit dem Vornamen Sandra referenziert, während von ihrem Vorgesetzten Sascha Bergmann stets nur der Familienname zu lesen ist. Zum diesem latenten Kontrast der beiden trägt zudem Bergmanns Drang, wortreich seine Männlichkeit unter Beweis zu stellen, bei, was ihn – um einen Begriff aus dem Glossar zu benutzen – als “Ungustl” und somit eindeutig als Gegenpart zur sympathischen Sandra positioniert. Die Rollenverteilung für etwaige “Good Cop – Bad Cop”-Spiele ist somit klar.
Indem die Autorin aus der Sicht ihrer Hauptfigur erzählt, kann sie auch ihren ausgeprägt scharfen Blick für Personen unter Beweis stellen und diesen Sandras beruflichen Fertigkeiten als Kriminalistin zuschreiben. Die junge Schweinezüchterin Josefine Haselbacher wird beispielsweise von Kopf bis Fuß verbal vermessen, von der Haarlänge bis zur Körpergröße, von der Wahl ihrer Kleidung bis zu den rauhen Händen entgeht der Ermittlerin kein Detail. Ähnliches gilt für den Arzt Doktor Kropf, der dem Leser aus einem “wohlproportionierten Gesicht” mit hohen Wangennochen breitem Kinn ein Lächeln schenkt, das die gebleichten Zähne offenbart. Die auf diese Weise erfolgende Gewichtung von Äußerlichkeiten läßt die unterschiedlichen Charaktereigenschaften allenfalls in den häufigen Dialogen hervortreten und erinnert in der Erzählweise an eine TV-Produktion. Gut möglich, daß die Autorin von der – überaus sehenswerten – Verfilmung des ersten Teils “Steirerblut” Stilmittel übernommen hat.
Tatsächlich wirken die Nebenfiguren wie der austauschbare Kreis üblicher Mordverdächtiger, Teil der Inszenierung wie die Opfer. Eine charakterliche Entwicklung ist hingegen in der Konstante von Rossbachers Serie, nämlich der Chefinspektorin Sandra Mohr festzustellen. Wirkte sie am Ende des vierten Teils “Steirerkreuz” noch beruflich und privat gezeichnet, akut burnout-gefährdet, so stellt hier der Abschluss ihrer Therapie den Auftakt dar. Der Verzicht auf übertriebene Selbstdisziplin oder seelische Heilungversuche durch hochprozentige Hausmittel läßt sie zudem menschlicher erscheinen als viele literarische Berufskolleginnen. Sandra wirkt erfrischt, gereift und ausgeglichener, selbst das private Glück, das sich im Vorgänger durch eine Blumensendung von einem Kollegen ans Krankenbett abzeichnete, wird nun konkret. Die gelingende private Beziehung einer Ermittlerin ist ein angenehmer Unterschied zum Lamento anderer Autoren über die Unvereinbarkeit von Ehe und Verbrecherjagd.
Auch die Begeisterung der gebürtigen Wiener Autorin für ihre Wahlheimat kommt nicht zu kurz, mit der sie ihren Ruf als schreibende Botschafterin der Steiermark im Krimi-Genre weiter festigt. Vom mystischen Farbenspiel des Herbstes gleich zu Beginn führt der Weg durch das Weinland um Straden, bekannt als steirisches Vulkanland, das durch die Vermarktung kulinarischer und kultureller Spezialitäten eine bemerkenswerte wirtschaftliche Entwicklung erfahren hat. Die Region ist – so erfährt man aus den zahlreichen Plaudereien im Roman – für seinen Schinken, Weine wie Traminer oder Grauburgunder und natürlich als Heimat der inzwischen weltweit renommierten Schokolademanufaktur Zotter bekannt. Lokalkolorit findet sich auch in der direkten Rede wieder, von den Nebenfiguren sind viele umgangssprachliche Eigenheiten wie der vorangestellte Genitiv (“der Zeugin ihr Hund”) und Personenbezeichnungen durch den Familiennamen (“die Krenn Waltraud”) zu vernehmen. Die zahlreichen lokalen Ausdrücke wie “Griaß di”, “liegen gehen”, “schlampert” oder “Schneiztiachl” finden sich wie gewohnt in einem Glossar am Ende erklärt.
Die große Herausforderung lokal verwurzelter Kriminalgeschichten stellt die Balance zwischen der Lösung des Falls und der Schaffung einer spezifischen Atmosphäre dar. Zwar werden unterschiedliche Themen und Mordmotive wie Sportwetten, politisches Zeitgeschehen und zu perverse Rituale angesprochen, bis weit in die Geschichte hinein ist jedoch ein roter Faden, ein tatsächliches Thema nur schwer zu finden. So wirkt der Roman wie eine gemütliche Ausflugsfahrt von Weinberg zu Buschenschank, bei der man sich immer wieder für Unterhaltungen mit Einheimischen Zeit nimmt, jedoch kaum Druck besteht.
Persönliches Fazit
Abermals ein spannender Steirerkrimi aus der Feder von Claudia Rossbacher, der seine Faszination weniger aus der Aufklärung des Verbrechens, sondern vielmehr aus der bekannten Figur Sandra Mohr und ihre wohl illustrierten Wege durch das Vulkanland bezieht. Gerade in den Tourismusbüros vor Ort sollte der Roman auf den Verkaufsständen angeboten werden.
Reihenfolge der Sandra-Mohr-Fälle: www.claudia-rossbacher.com
© Rezension: 2015, Wolfgang Brandner
Sandra Mohrs fünfter Fall
Kriminalroman
Gmeiner Verlag - ISBN: 9783839216835
2015
Klappenbroschur, 276 Seiten