Zwei brillante junge Ermittlerinnen. Vier bizarr inszenierte Leichen. Eine mathematische Formel, die den Takt des Todes vorgibt.
Der Beginn einer neuen Krimiserie.
Eine burschikose Polizistin, die der Meinung ist, sich in einem testosterondurchsetzten Beruf um jeden Preis behaupten zu müssen, eine exotisch-perfektionistische neue Partnerin, die wie ein Naturgesetz resultierenden Konflikte zwischen den beiden und eine Anzahl flankierender farbloser Randfiguren, das ist eine Konstellation, die man bereits etliche Male gesehen hat. Dennoch – sie ergreift den Leser und läßt ihn nicht mehr los, das Konzept funktioniert. Vielleicht funktioniert es deshalb, weil dieses Setting vorwiegend aus Filmen so bekannt ist und man gerne auf vertraute Muster setzt. Vielleicht funktioniert es aber auch deshalb, weil die Autorin dieses Muster mit kleinen Variationen ausgestaltet, die jedoch den Rahmen nicht sprengen. Als Schauplatz dient nicht das von literarischen Verbrechern überbevölkerte Berlin, sondern Frankfurt, in der Heldenrolle ist keine männliche Figur zu finden, und neben Zhou. äußerlich deutlich als Asiatin erkennbar, bereichert auch Emilia Capelli das Team durch ihre italienischen Wurzeln.
Wie es sich für eine derartige Partnerschaft wider Willen gehört, sind die beiden Figuren als Gegensätze konzipiert. Die temperamentvolle Em wird mit der in sich ruhenden Zhou konfrontiert, die stets rational agiert, Kung Fu beherrscht und deren Vater gerne Lao-tse zitiert. Neben der Aufgabe, den Mörder zu stellen, haben die beiden auch mit der gegenseitigen Verständigung zu kämpfen. Vereinzelte komische Momente, die daraus resultieren, tauchen zwar durchaus auf, halten sich aber dezent im Hintergrund.
Kunstvoll zelebriert die Autorin auch die Kunst der Irreführung des Publikums: Der Serienmörder verfolgt nämlich in seinen Verbrechen ein von Zahlenmystik geprägtes System, er wird somit berechenbar. Der Einladung zum Miträtseln kann man sich kaum widersetzen. Dem Leser stehen alle Informationen zur Verfügung, er könnte sich jederzeit einen Vorsprung gegenüber den beiden Ermittlerinnen erarbeiten. Und dennoch wartet den Roman mit Wendungen auf, die sich stimmig einfügen, den Leser nicht enttäuschen, sondern regelrecht zum weiteren Raten anstacheln.
Üblicherweise geht ein Autor bei der Wahl der Namen für seine Figuren mit Bedacht vor, weshalb man beim Lesen hellhörig wird, wenn das Mordopfer Sarah Jessica Kindle heißt. Was wohl die Autorin mit der Kombination aus den Vornamen der Hauptdarstellerin einer an ein vorwiegend weibliches Zielpublikum gerichteten Fernsehserie und der Bezeichnung des derzeit populärsten Lesegerätes für elektronische Bücher vermitteln will, darüber darf jeder selbst schmunzelnd ins Grübeln geraten.
Persönliches Fazit
Die Aufklärung einer Serie geheimnisvoller Ritualmorde, während die Ermittlerinnen vollauf damit beschäftigt sind, ihre kulturellen und persönlichen Differenzen zu lösen – ein ebenso intelligenter wie aufregendes Thriller-Debüt.
© Rezension: 2015, Wolfgang Brandner
Thriller
dtv Verlag - ISBN: 9783423214896
2014
448 Seiten