Ich hatte zunächst Bedenken: ein Roman über eine Richterin, kann das denn spannend sein? Ich bin in juristischen Dingen nicht bewandert, und gerade deshalb sind die Beschreibungen der Fälle für mich sehr interessant. Fiona Maye ist zuständig für Familienrecht und muss über Schicksale anderer bestimmen. Ausgelöst vom Hass, der Gier und Gewalt der Eltern kommen dabei immer wieder die Kinder unter die Räder.
Nachdem es in ihrer Ehe anfängt zu kriseln, bekommt sie den Fall des Zeugen Jehovas auf den Tisch und ihr emotionaler Schutz beginnt zu bröckeln.
Ian McEwan schreibt gewohnt sprachlich virtuos. Es gelingt ihm, die normalerweise distanzierte und despotisch wirkende Richterin menschlich darzustellen. Trotz ihrer Berufs- und Lebenserfahrung ist sie nicht abgestumpft, weder privat noch beruflich.
Den Fall des Leukämiekranken 17-jährigen, aber auch die anderen Fälle, die beschrieben werden, würde ich nicht entscheiden wollen. Diese Einblicke in die Juristerei haben mich an das Buch gefesselt und bei mir Respekt vor den Richtern erzeugt, die diese Dinge im besten Sinne der Kinder und Jugendlichen beurteilen müssen.
Persönliches Fazit
Ein Buch mit einem interessanten Thema und einer sehr gut charakterisierten Hauptperson. Es hat mich zwar nicht restlos begeistert, dafür ist es vielleicht nicht spektakulär genug, Ian McEwan hat spürbar bewusst Wert auf eine sorgfältige Recherche gelegt. Gefesselt hat es mich aber. Und sprachlich ist es bemerkenswert gut.
© Rezension: 2015, Marcus Kufner
Roman
Diogenes Verlag - ISBN: 9783257069167
2015
gebunden, 224 Seiten
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[…] Kindeswohl, Ian McEwan, Mirko Bonné, Diogenes, 2015 Weitere Besprechungen gibt es hier: Feuilletöne, BücherKaffee. […]