Wilde Schafsjagd | Haruki Murakami

by Alexandra Stiller
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[Klappentext] Was als wilde, sich überschlagende Jagd endet, beginnt ganz einfach: mit einem Brief, in dem das Foto eines Schafes steckt. Er ist adressiert an einen müden Endzwanziger, der als Mitinhaber einer Tokyoter Werbeagentur in einem Nebel aus Zigaretten und Alkohol lebt: Nur ein Abenteuer kann einen Ausweg aus seiner Langeweile bieten – die “Wilde Schafsjagd” beginnt. Haruki Murakamis meisterhafter Bestseller um ein Schaf mit übernatürlichen Kräften, ein Teilzeit-Callgirl mit den schönsten Ohren der Welt und einen Kriegsverbrecher mit Gehirntumor ist ein fantastischer Detektivroman, inspiriert von den düsteren Werken Raymond Chandlers – nur dass dieser Fall unlösbar ist. Der Geschichtenzauberer Murakami entführt in eine Welt voll bizarrer Geheimnisse, in der Realität und Fantasie zu einem virtuosen Abenteuer verschmelzen.

[sg] Es prickelt bei mir immer, wenn ich weiß, dass bald ein neuer Roman von Murakami erscheint. Doch bis dahin lese ich einen wirklich älteren Roman des Autors.Immer wieder lese ich zwischen anderen Büchern auch stets mal eins von Murakami. Es ist nicht verwunderlich, dass es dieses Mal wieder “Wilde Schafsjagd” ist.

Ich sitze im Garten, schaue auf das Wasser, die Sonne scheint, und ich erinnere mich, wie mir Murakami das erste Mal in die Hände fiel. Rückblickend begegnete mir der Schafsmann wirklich zuerst. In einem Antiquariat in Berlin. Ich begann damals zu lesen und dachte ich entdecke gerade eine neue Art des Schreibens. Schon damals war ich verzaubert und längst verliebt in diese herausragende Literatur Murakamis.

“Wilde Schafsjagd”, eigentlich schon nahezu ein Krimi und irgendwie auch nicht. Denn, Murakami in ein genaues Genre zu packen ist schwer. In dem Buch geht es unter anderem auch um die japanische Gesellschaft, die brechenden Fassaden von menschlichen Seelen. Dann ist da noch, und es grenzt fast an Komik dies zu schreiben, ein mystisches Überschaf, welches in einer Schafsherde auf einem Bild hervorsticht. Der Ich-Erzähler und Protagonist begibt sich auf die Suche danach und landet in einem Haus, völlig abseits der Stadt. Dort begegnet er Ratte, einem alten Freund, dessen Uhr aber eigentlich nur frisch aufgezogen wurde. Erst beim Lesen wird man diese Zeilen verstehen, denn zu viel möchte ich von der Handlung nicht verraten. Sein Freund trinkt zu viel, aber bei Bier und unzähligen Zigaretten und guter Rockmusik lässt sich über das Leben reden und die Zeit totschlagen. So ist das mit wahren Freunden, steht es auf einer Seite. Die Protagonisten des Buches sind wie immer ganz sichtbar beschrieben, so vorstellbar, “Ratte”, irgendwie habe ich ihn trotz allem in mein Herz geschlossen.

“Als Ratte schwieg, herrschte Stille ringsum; nur das Ticken der Uhr war zu hören. Alle anderen Geräusche schluckte der Schnee. Mir war, als wären wir die beiden letzten Überlebenden im All.” S.288

Noch war ich ahnungslos, dass er (Ratte) mir bald in einem anderen, neu erschienen Buch wieder begegnen würde.
So oft hielt ich das Buch schon in der Hand und noch immer besitze ich die Version aus dem Suhrkamp Verlag, da diese so wunderschön mit der japanischen U-Bahn in einem kräftigen Grün ist.

Mich macht das Buch erneut nachdenklich, wie schon so oft.
Alles wirkt realistisch mit ein paar unfassbaren Nebensträngen, die aber doch möglich wären. Neben der Klarheit verschwimmen diese Handlungsstränge wieder mit weisen Philosophien und kurzen Lebensweisheiten. Ich liebe es, dass oft in Murakamis Büchern, die dunklen Schatten, Abgründe und auch der Seelenschmerz über Verlust, Gedankentiefe, Humor und Fantastik wie selbstverständlich nebeneinander laufen. Das schafft nur Murakami, und er schafft es, die Einsamkeit der Menschen einzufangen und doch nicht als bleierne Schwere erscheinen zu lassen.
Das “Überschaf” erhält eine interessante Bedeutung. Mehr mag ich auch hier nicht verraten.

Zum dritten Mal las ich nun das Buch und abermals fühle ich mit. Ich blicke noch einmal auf das Wasser und manchmal bilden Augen einen Fluss, der nicht einfach aufhört, über Stunden geht, wie am Ende des Buches. Aber ich lächle. Murakami zu lesen macht mich glücklich. Immer. Dann stehe ich auf, habe diese Gadanken fertig zu Papier gebracht und bin froh, noch einmal in die “Wilde Schafsjagd” eingetaucht zu sein und werde es wieder tun…irgendwann. Immer wieder.

Die “Wilde Schafsjagd ist ein Abendteuer, ein kleiner Krimi mit Humor und ganz viel Tiefsinn und immer wieder verschwimmt die Realität. Das ist einfach Murakami. Einzigartig. Perfekt in jeder Zeile.

© Rezension, 2015 Sanni Gedankenlabyrintherin

Wilde Schafsjagd – Haruki Murakami – Suhrkamp Verlag
aus dem Japanischen von Annelie Ortmanns-Suzuki und Jürgen Stalph
1997 / ISBN 3518392387
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Nina 15. Juli 2015 - 19:45

Ich mag ihn auch seeeehr! Leider zu wenig Zeit für zu viel Murakami! 😀

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