Der Roman ist in einer Art Tagebuch aus der Sicht dreier Täter geschrieben. Zum einen geht es um Thomsen, der für ein Chemiewerk, das im Interessengebiet, also auf dem Gelände von KZ Auschwitz errichtet wurde, tätig ist und für die Zwangsarbeiter zuständig ist. Die Stärke des Buchs ist meiner Ansicht nach die sehr detaillierte und recht nüchterne Erzählweise. Martin Amis verwendet die damals übliche Sprache, und damit gelingt es ihm, mich sehr nah an eine Zeit und einen Ort heranzuführen, an dem eigentlich keiner sein will und wollte. Er verzichtet dabei darauf, die Protagonisten direkt zu kritisieren, sie als Unmenschen abzustempeln. Statt dessen muss ich mir selber darüber Gedanken machen, wie es zu solchen unvorstellbaren, institutionellen Grausamkeiten kommen konnte. Immer wieder denke ich, dass so etwas nie wieder passieren darf, aber wenn ich sehe, mit welcher Brutalität die Kämpfer des „Islamischen Staats” vorgehen, haben wir noch nicht genug gelernt. Und das ist leider nur ein Beispiel.
Das Buch ist übrigens nur am Rande eine Liebesgeschichte, anders als es der Klappentext vermuten lässt. Dass Golo sich gerne der Frau des Lagerkommandanten annähern würde ist eher ein begleitendes Element, das zusätzlich ein Spannungsfeld zwischen den Charakteren erzeugt.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass mir manche Passagen etwas zu langatmig vorkamen. Da “schwafeln” Thomsen oder auch Doll vor sich hin, ohne dass es die Geschichte voran bringt. Wobei das Buch ohnehin nicht storylastig ist, sein Fokus liegt eher bei der Charakterisierung der drei Hauptpersonen und versucht, uns im historischen Kontext das Unerklärliche näher zu bringen.
Persönliches Fazit
Ich beschäftige mich immer wieder mit Büchern über die Nazizeit, um besser zu verstehen, was damals geschah und wie es dazu kommen konnte. „Interessengebiet” bringt mir die Sicht der Täter näher, es malt nicht nur schwarz-weiß und verurteilt keinen, es bleibt mir selbst überlassen, die verabscheuungswürdigen Taten einzuordnen. Vor allem Szmuls Schilderungen fand ich sehr bedrückend. Trotz einiger Längen ein recht intensives, gut recherchiertes Buch.
© Rezension: 2015, Marcus Kufner
Roman
Kein & Aber Verlag - ISBN: 9783036957241
2015
gebunden, 416 Seiten