Sarah Butlers Debütroman „Alice, wie Daniel sie sah” hat mir sehr gut gefallen, deshalb habe ich mich gefreut, dass jetzt ihr zweites Buch erschienen ist. Und gleich vorweg: ich wurde nicht enttäuscht. Auch bei „Die Nacht brennt” gelingt es ihr, mich ganz nah an die Charaktere heranzubringen, an ihre Hoffnungen, Verzweiflung, ihre Spannungen und Widersprüche. Das macht sie mit einer klaren, lebendigen Sprache, die passend zu den Hauptakteuren auch jugendlich frisch ist.
Kieran (Spitzname Stick) steht mit knapp achtzehn Jahren voll im jugendlichen Leben, freut sich auf die Volljährigkeit und darauf, mit Mac nach Spanien auszubrechen. Im sonnigen Süden mit Strand und Sonne die Freiheit genießen, der Enge der Familie entfliehen, dem „was willst du mit deinem Leben anfangen”-Druck entkommen ist der Traum von vielen in diesem Alter. Und dieser Traum wird ihm genommen, als er von Macs Tod erfährt. Stick ist zutiefst geschockt und kann es nicht glauben. Wer sollte so etwas tun? Und wieso?
Schon bald schaukeln sich Wut und Verzweiflung in ihm hoch, und er weiß nicht, wie er sie kanalisieren soll. Er ist überfordert und kommt nicht zurecht. Seine Eltern, seine Oma, alle wollen ihm helfen und kommen doch kaum an ihn heran. Er fühlt sich von Mac allein gelassen. Statt mit ihm zusammen Spaß zu haben muss er sich mit dem Tod, dem Verlust auseinander setzen. Durch den gelungenen Schreibstil von Sarah Butler kann ich Sticks Gefühlslage sehr gut nachempfinden und wühlt auch mich auf. Vieles, was von außen unsinnig erscheint, wird dadurch nachvollziehbar.
Er wollte sich aus seiner Haut befreien, an einen ruhigen Ort flüchten, wollte den Lärm aus seinem Kopf loswerden, aber er wusste nicht, wie. (S. 166)
Als ein Verdächtiger festgenommen wird, hofft Stick, durch dessen Bestrafung etwas Ruhe zu finden und dass die Dinge wieder etwas mehr ins Gleichgewicht kommen. Er lernt aber, dass die Juristerei nicht unbedingt mit Gerechtigkeit gleichzusetzen ist. Das vergrößert seine Wut noch mehr, und als die Unruhen, die 2011 tatsächlich stattfanden, von London nach Manchester übergehen, ist es die Gelegenheit, dieser Wut freien Lauf zu lassen und bei den Plünderungen und Brandstiftungen mitzumachen. Oder gelingt es ihm, seine Verzweiflung zu beherrschen und seine Zukunft zu planen anstatt im Gefängnis zu landen?
Persönliches Fazit
Mit einer klaren, lebendigen, jugendlichen Sprache bin ich ganz nah bei Stick, der nicht nur mit den Problemen des Erwachsenwerdens fertig werden muss, sondern auch mit dem Tod seines Freundes konfrontiert wird. Ein packender, aufwühlender Roman, bei dem durch Verzweiflung und Wut hin und wieder etwas Hoffnung durchscheint. „Die Nacht brennt” lebt von seinen Charakteren, die sehr stimmig sind.
© Rezension: 2016, Marcus Kufner
Roman
Droemer Knaur Verlag - ISBN: 9783426304440
2016
broschiert, 288 Seiten