Rezension: Letzter Bus nach Coffeeville | J. Paul Henderson

by Marcus Kufner
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Drei in jeder Hinsicht ziemlich älteste Freunde reisen in einem klapprigen Tourbus der Beatles quer durch die USA bis nach Mississippi. Mit an Bord: Alzheimer, die grausame Krankheit des Vergessens. Nach und nach steigen noch andere Passagiere mit kunterbunten Lebensläufen zu, die verrückt genug sind, um es mit so einem heimtückischen Mitreisenden aufzunehmen. Ein Buch, bei dem man ebenso oft Tränen weint wie Tränen lacht und das man dabeihaben will, wenn’s im eigenen Leben mal nichts mehr zu lachen gibt. [© Text und Bild: Diogenes Verlag]

Gene, Bob und Nancy kennen sich seit ihren Unitagen in den Sechzigern. Damals waren sie gemeinsam in der Bürgerrechtsbewegung aktiv, und Gene und Nancy waren ein Paar. Nancys Mutter und Großmutter hatten Alzheimer. Schon damals rang Nancy Gene das Versprechen ab, ihr Sterbehilfe zu leisten, wenn diese Krankheit auch bei ihr auftritt und sie nicht mehr sie selbst ist, wenn sie und ihre Angehörigen darunter sehr leiden. Über vierzig Jahre später, als sie merkt, dass sie tatsächlich die heimtückische Alzheimer-Krankheit hat, verlangt sie von Gene, sein Versprechen einzulösen. Sie planen die Fahrt nach Coffeeville, wo sie neben ihren Eltern bestattet werden will. Die Fahrt soll ein letzter gemeinsamer Urlaub werden, zusammen mit Bob wollen sie die letzten klaren Momente in Nancys Leben genießen.

Das ist schon hart, was Nancy verlangt. Kann man einen Menschen, den man liebt, beim Sterben helfen? Gibt es nicht vielleicht doch noch eine Chance, dass sie hin und wieder sie selbst ist? Oder ist gerade diese Liebe der Grund, ihr dieses Leiden zu ersparen? Das ist wahrlich eine schwere Entscheidung. Wird Gene das wirklich durchziehen?

Der Roman beschränkt sich aber bei weitem nicht auf diese Frage. Alle Personen, auch die Nebenrollen, sind wunderbar charakterisiert. Wir erfahren alles Wichtige aus dem Leben der Protagonisten, die Dramen und die Wunden, die sie bis heute belasten. Keiner der Helden hatte ein langweiliges Leben, diese Zeitreisen sind dementsprechend vielfältig und interessant. Man hat dadurch zwar einiges zu Lesen bis die Reise tatsächlich los geht, die Kapitel sind aber mit einem Augenzwinkern und hin und wieder einem ironischen Ton vergnüglich und kurzweilig.

Letztendlich sind sie zu fünft auf dem Roadtrip nach Coffeeville. Bei einer Reise, die man zusammen auf recht engem Raum verbringt, gehen einem die anderen entweder so richtig auf den Keks oder es wird daraus eine eingeschworene Gemeinschaft. Bei unserer Truppe ist das zweite der Fall, jeder hilft dem anderen, hat ein offenes Ohr, oder sie ziehen sich spaßeshalber gegenseitig auf. Irgendwann wird mir klar, dass diese Reise zu Ende gehen wird und die Gruppe sich dann wohl auflösen wird. In Verbindung mit dem dramatischen Grund für die Fahrt wird mir die Endlichkeit des Lebens bewusst. Das Tränen lachen und Tränen weinen im Klappentext ist nicht zu viel versprochen.

 

Persönliches Fazit

Hier steckt alles drin, was das Leben ausmacht: dramatische Schicksalsschläge, Liebe, Hoffnung, Freundschaft. Eine ganz wunderbare Truppe, die sich nach Coffeeville aufmacht. Mit Blick in die Vergangenheit werden sie ausgezeichnet charakterisiert. „Letzter Bus nach Coffeeville” liest sich hervorragend, ich wollte das Buch gar nicht mehr weglegen.

© Rezension: 2016, Marcus Kufner

 

Letzter Bus nach Coffeeville
J. Paul Henderson (Aus dem Englischen von Jenny Merling)
Roman
Diogenes Verlag - ISBN: 9783257069594
2016
gebunden, 528 Seiten
2 comments

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2 comments

Tintenelfe 4. April 2016 - 20:35

Das klingt nach einem tollen Abend! Ich habe Kate Morton letztes Jahr auf der Buchmesse getroffen und fand sie wahnsinnig sympathisch. Margarete von Schwarzkopf ist eine fantastische Moderatorin, ich habe sie hier in Braunschweig zusammen mit Jojo Moyes erlebt und war von ihrer Eloquenz begeistert.
Ich finde es toll, dass Peterknecht solche Veranstaltungen anbietet und sie sich den Riesen wie Hugendubel gegenüber behauptet. (Habel musste ja leider aufgeben.) Der Laden ist zwar lange nicht so schön wie der damals an der Langen Brücke, aber ich gehe trotzdem gern hin, wenn ich mal in der alten Heimat bin.

Liebe Grüße
Mona

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Kati 10. April 2016 - 15:44

Seufz ,,, das klingt wieder nach einer tollen Lesung in der wunderbaren Buchhandlung Peterknecht!
Mir ist das jetzt erst aufgefallen .. aber dann kennst Du wahrscheinlich auf Karo von Moment-aufnahmen ? Ich habe vor wenigen Minuten bei ihr einen Beitrag zu #lbm sowie zur Lesung von Kate Morton in Erfurt gelesen 😉 Kleine Welt! Wird Zeit, dass ich die Heimat auch mal wieder besuche!

Liebe Grüße & noch einen schönen Sonntag
Kati

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