In seinem Debütroman konzentriert sich Eddie Joyce nicht auf die dramatischen Ereignisse des 11. September 2001. Sein Fokus liegt auf Bobbys Angehörige, dabei fixiert er sich aber nicht nur auf die Folgen des Terrors, vielmehr entwirft er ein komplexes Familienportrait über mehrere Generationen. Kapitelweise schreibt er über Bobbys Mutter Gail, seinen Vater Michael, über seine Brüder Peter und Franky oder über die Witwe Tina. Dabei springt er immer wieder in der Zeit zurück, beispielsweise als Gail und Michael sich kennenlernten, oder als Bobby in der Schule Basketball spielte. Das hat meinen Lesefluss immer wieder kurz stocken lassen, denn ich musste mich erst orientieren, von welchem Zeitraum gerade die Rede ist. Eine Angabe der Jahreszahl als Überschrift hätte mir geholfen.
Sprachlich ist das Buch auf gutem Niveau. Oft werden die Übersetzer nicht gewürdigt, bei BOBBY fällt die ausgezeichnete Arbeit der beiden allerdings auf.
“Er (Michael) und Gail leben im Schatten von Tragödien, in den übervölkerten, zu dicht bebauten Trümmern eines einst weiträumigen Paradieses, umgeben von Schwachsinnigen, die sich aufführen, als spielten sie die ganze Zeit in einer Reality-TV-Show, in der Dummheit, Stillosigkeit und Rüpelhaftigkeit prämiert werden.” (S. 269)
Man merkt, dass der Autor von Staten Island stammt. Sein Familienpanorama ist auch eine Hommage an die Inselbewohner, die zwar zu New York gehören, sich aber durch ihre Abstammung, das soziale Umfeld und die Kleinstadtatmosphäre abheben. Die größte Stärke des Buches sehe ich in der intensiven Charakterisierung seiner Protagonisten. Ihre Konflikte, ihren Zweifel, aber auch ihre Zuversicht und Hoffnung machen sie äußerst authentisch und glaubwürdig. Für mich ist das aber ein zweischneidiges Schwert, denn einerseits bin ich ihnen dadurch sehr nahe, andererseits fehlt es an dramatischen Höhepunkten. Das ergibt eine hervorragende Sozialstudie, ein Spannungsbogen fehlt jedoch.
Persönliches Fazit
© Rezension: 2016, Marcus Kufner
Roman
DVA Verlag - ISBN: 9783421046512
2016
gebunden, 416 Seiten