Der alte Mann und … der Hund
Sara Baume gelingt mit ihrem Debütroman etwas, das nicht vielen gelingt: ihr Sprachstil zieht mich sofort in seinen Bann und fasziniert mich schon auf den ersten Seiten. Trotz ihrer eigentlich schnörkellosen Ausdrucksweise ist er immer wieder poetisch und ein wenig melancholisch. Der ganze Roman ist von seiner Form her so gestaltet, dass Ray mit seinem Hund spricht. Das ist außergewöhnlich, funktioniert aber einwandfrei. Es macht den Text zu etwas Intimem.
„Du knurrst, als der Wärter dich am Genick packt und dir das Halsband anlegt, aber du schnappst nicht nach ihm. Und dein Gang, deine Bewegungen zeugen nicht von Aggressivität oder Bosheit.” (S. 14)
Ray ist einer der Menschen, die kaum jemand beachtet. Er geht nur selten aus dem Haus und beschränkt sich dann auf das absolut Notwendige an Kommunikation. Ein Eigenbrödler, in dem die Nachbarn einen Spinner sehen, dem sie lieber aus dem Weg gehen. Klingt nach einem totalen Langweiler. Als Leser verfolgen wir seine Gedanken, und die sind durchaus interessant, gerade deshalb, weil er seiner eigenen Logik folgt. Immer wieder erinnert er sich an seine Kindheit. Irgendetwas muss da vorgefallen sein, was ihn so anders gemacht hat gemäß dem Prinzip Ursache und Wirkung. Und diese Wirkung ist durchaus fatal…
Rays Gedanken kreisen auch um Philosophisches. Was bedeutet es, Mensch zu sein? Was ist der Sinn einer Gemeinschaft? Er hat dazu seine eigene Meinung und stellt sich dabei immer selbst in Frage.
„Es war falsch, dir etwas von meiner Menschlichkeit überstülpen zu wollen – schließlich hat es mir nie viel gebracht, ein Mensch zu sein.” (S. 46)
Persönliches Fazit
„Die kleinsten, stillsten Dinge” ist eine bemerkenswerte Außenseitergeschichte mit Tiefgang. Ich war von Anfang an begeistert von Sara Baumes schlichtem und doch poetischem Sprachstil. Ein großartiger Debütroman.
© Rezension: 2016, Marcus Kufner
Roman
Rowohlt Verlag - ISBN: 9783498058111
2016
gebunden, 288 Seiten
8 comments
Hallo,
das klingt nach einem wirklich besonderen Buch. Ich werde es mal im Auge behalten.
Liebe Grüße
Nanni
Hallo Liebe Nanni,
genauso habe ich es empfunden: ein besonderes Buch, das mich sehr angesprochen hat. Lies bei Gelegenheit mal rein.
Viele Grüße,
Marcus vom Bücherkaffee
Habe dieses Buch gestern begonnen und war von Anfang an gefangen in der Geschichte von Ray und Einauge! Obwohl ich zwischendurch immer mal Lesepause einlegen muss hält mich die Story der beiden gefangen! Danke für die schöne Besprechung!
Das ist schon ein besonderes Buch. Freut mich, dass dir die Geschichte der beiden Außenseiter auch gefällt.
Mir ging es ebenso… musste das Buch immer wieder weglegen… musste es aber immer wieder weiter lesen… ein wirklich besonderes Buch… .Das Ende ist wohl offen… ao sehe ich es wenigstens…. aber es ist auch gut so… ein Buch das man nicht vergisst….
Hallo Rolf,
das kann ich bestätigen: es ist jetzt schon Jahre her, dass ich es gelesen habe, aber ich denke immer noch gern an diese besondere Geschichte zurück. Das schaffen nicht viele Bücher.
Ich lese im Seniorenheim Bücher, möglichst fröhliche, über Tiere im Allgemeinen vor. So kam ich an das Buch von Sara Baume mit Einauge. Ich wollte nur mal eine kurze Leseprobe machen und bin hängen geblieben. Ich lese selten so viel Zeit hintereinander, aber es ist mir gelungen die Lesezeit woanders abzuzweigen. Es ist ein großartiges Buch. Nicht ein einziger Satz ist langweilig und ich habe auch das Gefühl, dass sich im ganzen Buch nicht ein einziges Wort wiederholt. Es hat Freude gemacht die wunderbaren Sätze zu lesen, auch wenn die Geschichte nicht gerade zur Freude einläd. DANKE Sara Baume !!!
Nein, ein fröhliches Buch ist es wirklich nicht, aber ein besonderes!
Danke für den schönen Kommentar, ich freue mich, eine weitere begeisterte Meinung zu lesen.