Eine starke Stimme gegen Rassismus
Eigentlich ist Starr vollauf mit den Dingen beschäftigt, die die meisten von uns als Teenager beschäftigt haben: sie plagt sich mehr oder weniger mit ihren Eltern und Geschwistern rum, versucht, es ihren Freundinnen recht zu machen und überlegt, wie weit sie mit ihrem Freund Chris gehen kann. Sie wohnt im „Ghetto”, wie sie ihr Viertel selber nennt, in dem Drogenhandel und Bandenkriminalität an der Tagesordnung sind. Ihre Eltern können es sich leisten, dass Starr auf eine Schule außerhalb geht. Die meisten ihrer Mitschüler sind weiß und ziemlich reich. Dieser Kontrast zur ihrem Zuhause nötigt sie dazu, eine Art Doppelleben zu führen. So wie in Garden Heights kann und will sie sich in der elitären Schule nicht verhalten.
„Ich hoffe, dass mich keiner nach meinen Ferien fragt. Die anderen waren in Taipeh, auf den Bahamas, in der Harry Potter World. Ich bin in meinem Viertel geblieben und habe mitangesehen, wie ein Cop meinen Freund erschoss.” (S. 92)
Der Moment, als Starr und Khalil von einem Polizisten kontrolliert werden, ändert für sie alles. Sie ist dabei, als Khalil erschossen wird und auf der Straße stirbt. Wenn ein weißer Cop einen schwarzen Junger erschießt, sorgt das für Proteste bei der schwarzen Bevölkerung. Für die Medien ist Khalil allerdings schnell verurteilt, schließlich war ein Drogendealer. Starr ist mit ihm seit ihrer Kindheit befreundet, für sie ist er damit viel mehr als das. Als einzige Zeugin stellt sie sich die Frage, ob sie die Stimme für Khalil erheben soll. Kann sie bewirken, dass ihm Gerechtigkeit widerfährt und sein sinnloser Tod gesühnt wird? Soll sie sich ins Rampenlicht der Medien begeben auch auf die Gefahr hin, dass ihr Hass und Häme entgegenschlagen könnten? Für so stark hält Starr sich selber nicht, aber sie findet sich in einer Rolle wieder, die sie sich nicht aussuchen konnte.
„Wozu hat man eigentlich eine Stimme, wenn man in den entscheidenden Momenten schweigt?” (S. 288)
Angie Thomas bringt uns mit ihrem Teenager-Drama ganz nah ran an das, was es bedeutet, mit Rassismus und Vorurteilen konfrontiert zu werden. Sie erschafft dabei einige emotionale Momente, ohne explizit auf die Tränendrüse zu drücken. Trotz der Dramatik gibt es aber auch einige Stellen, die mich zum Schmunzeln gebracht haben. Die junge Sprache, die kurz und prägnant gefasst ist, vermittelt Starrs Gedanken und Gefühle unsentimental und authentisch. All das macht „The Hate U Give” zu einem äußerst empfehlenswerten Buch, nicht nur für Jugendliche.
Persönliches Fazit
Angie Thomas’ Debütroman hat mich mit seiner Intensität restlos überzeugt. An der Seite ihrer Protagonistin erleben wir hautnah, was Rassismus bedeutet. Die jugendliche Sprache macht „The Hate U Give” sehr authentisch. Ein sehr empfehlenswertes Buch für alle ab 14 Jahren.
© Rezension: 2017, Marcus Kufner
Jugendbuch, ab 14 Jahren
cbt Verlag - ISBN: 9783570164822
2017
gebunden, 512 Seiten
5 comments
Hallo Marcus,
danke für die wunderschöne Rezension und ich kann dir wirklich in allen Punkten zustimmen!
Dieses Buch hatte für mich so einen Sogcharakter, dass ich es innerhalb von zwei Tagen gelesen habe. Es ist so eindrucksvoll geschrieben und wie du sagst durch die Sprache wirklich sehr authentisch. Es freut mich sehr, dass dir dieses Buch so unglaublich gut gefiel!
Danke für deine ehrliche Meinung 🙂
Liebe Grüße,
Caterina
Hallo Caterina,
freut mich, dass du es auch so siehst. Das ist so ein Buch, das selbst unter guten Büchern noch heraussticht und mir noch lange in positiver Erinnerung bleiben wird.
Herzliche Grüße,
Marcus
Hallo Marcus 🙂
ich habe das Buch gerade angefangen und freue mich schon total auf diese Geschichte! Bisher bin ich noch etwas geschockt von der Sprache, aber aus Filmen kennt man das ja eigentlich auch nicht anders. Nur für Jugendliche finde ich das irgendwie ziemlich extrem. Mal gucken, ob ich mich damit noch anfreunden kann 😉
Liebe Grüße
Meiky
Hallo Meiky,
ich finde, die Sprache des Buchs ist ein wesentlicher Faktor, der viel dazu beiträgt, dass ich mich hineinfühlen kann in Starrs Welt. Ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere junge Leser sich auch darin wieder findet.
Ich hoffe, dass THUG trotzdem so begeistern kann wie mich!
Viele Grüße,
Marcus
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