Nachdem mich Durian Sukegawa mit „Kirschblüten und rote Bohnen” begeistern konnte, war ich schon sehr auf sein neues Werk gespannt. Auch bei „Die Insel der Freundschaft” stehen Außenseiter im Mittelpunkt. Als ein solcher sieht sich Ryosuke, den wir auf eine kleine Pazifikinsel begleiten. Bald ist klar, dass der Job, den er dort angenommen hat, eine Flucht für ihn darstellt. Es ist spürbar, dass er etwas mit sich herumschleppt, das ihn belastet. Kann er dieser Pein entfliehen oder vielleicht sogar seinen Frieden finden, indem er das gewohnte Leben in der Großstadt hinter sich lässt? Aber nicht nur diese Fragen ziehen ihn zu diesem Eiland, er ist auf der Suche nach einer bestimmten Person, die sich dort niedergelassen haben soll und wohl etwas mit seiner Vergangenheit zu tun hat.
„Man glaubt, eine Insel im Süden, das muss doch das Paradies sein, aber das stimmt ganz und gar nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Wir leben hier außerhalb der Gesellschaft, als Außenseiter. Fast jeder auf der Insel ist auf irgendeine Art und Weise gescheitert.” (S. 113)
Ryosuke ist ein stiller Mensch. Nur zögerlich öffnet er sich seinen Kollegen und so bildet sich auch nur langsam eine Freundschaft mit ihnen. Er fühlt sich den Ziegen, die frei auf der Insel leben, wesentlich mehr verbunden. Deshalb kommt ihm die Idee, aus Ziegenmilch Käse herzustellen. Bald merkt er aber, dass dieses Vorhaben wesentlich schwieriger umzusetzen ist, als er es sich vorstellt. Ich bewundere seine Beharrlichkeit, dieses Ziel trotzdem zu verfolgen. Er zieht den Unwillen der Bewohner auf sich, die durch ihn ihre Traditionen gefährdet sehen. Auf einer solch kleinen Insel herrscht eine besondere soziale Ökonomie, in die er nicht hineinzupassen scheint. Soll er sich dem stellen oder die Insel doch lieber wieder verlassen?
Durian Sukegawa erweist sich auch bei diesem Buch wieder als Meister der ruhigen Töne. Es ist bemerkenswert, wie er sich dem Seelenleben seiner Figuren nähert und uns Leser hinter die Fassaden blicken lässt. Wie im echten Leben sind es auch in seiner Geschichte nicht immer nur die großen, schicksalhaften Momente, die von Bedeutung sind, sondern auch die kleineren, die einem nur mit der notwendigen Aufmerksamkeit nicht entgehen.
Persönliches Fazit
Wer gerne Geschichten über Leute liest, die normalerweise nicht im Mittelpunkt stehen, ist bei „Die Insel der Freundschaft” genau richtig. Durian Sukegawa beweist ein besonders feines Gespür für seine Figuren und schreibt in einer angenehm unaufgeregten Art.
© Rezension: 2017, Marcus Kufner
Roman
Dumont Verlag - ISBN: 9783832198619
2017
gebunden, 350 Seiten
2 comments
Das Buch hört sich fantastisch an. Und das Cover ist auch schon super gelungen.
Neri, Leselaunen
Liebe Neri,
das Cover finde ich auch sehr gut. Aber nicht nur das, das Buch liegt mit seinem kleineren Format perfekt in der Hand. Ein echt stimmiges Gesamtlayout 🙂
Liebe Grüße,
Marcus