Rezension: Herr Origami | Jean-Marc Ceci

by Marcus Kufner
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Manchmal ist weniger mehr …

Ein junger Japaner reist auf der Suche nach seiner großen Liebe nach Italien. Als er sie nicht finden kann, wählt er ein Leben in Abgeschiedenheit. In der Toskana widmet er sich ganz der Meditation und der Herstellung von Washi, traditionellem japanischem Papier, das zum Falten von Origami benötigt wird. Jahrzehnte später besucht ihn ein junger Uhrmacher. Der Mann arbeitet an einer hochkomplizierten Uhr, die sämtliche Zeitmessungen abbilden soll. Die Begegnung gibt dem Leben beider Männer eine völlig neue Richtung. Ein verzaubernder, poetischer Roman, so klar und formvollendet wie ein Origami. [© Text und Cover: Hoffmann und Campe Verlag]

Das erste, was mir bei „Herr Origami” auffällt, ist die Länge, besser gesagt, die Kürze. Die meisten Abschnitte lassen viel unbeschriebenen Platz auf den Seiten. Ein Roman muss ja nicht zwangsläufig durch viele Seiten beeindrucken, um seinen Inhalt zu transportieren. Das erreicht Jean-Marc Ceci durch eine Schlichtheit, die an Zen-Buddhismus erinnert. Den praktiziert sein Protagonist Meister Kurogiku auch. Da passt die Tätigkeit der Papierherstellung und das Ausüben des Origami bestens dazu.

„Meister Kurogiku stellt das Papier nicht her, um davon zu leben, sondern um seine Leidenschaft zu stillen. Er stellt das Washi nicht her, um es zu verkaufen, sondern um es zu falten. Denn Meister Kurogikus wahre Leidenschaft im Leben ist: das Origami.” (S. 46)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Leben, das Kurogiku für sich wählt, ist für die meisten für uns kaum vorstellbar. Während wir medial von Reizen überflutet werden und uns ständig die Zeit ausgeht, zieht er in eine einsam gelegene Ruine in der Toskana und bleibt dort für Jahrzehnte. Er scheint ganz im Hier und Jetzt zu leben und konzentriert sich nur auf die Papierherstellung. Ist es vielleicht nicht besser, etwas schlichter aber zufriedener zu leben als immer nach noch mehr zu streben?

„Meister Kurogiku schweigt. Länger. Schließt die Augen. Atmet. Spricht dann:
– Was nützt uns alles Haben, wenn es uns an Sein fehlt.” (S. 139)

Die kurzen Abschnitte haben bei mir den Effekt, dass ich mir mehr Zeit nehme für sie. Anstatt über den Text zu fliegen nehme ich die Passagen bewusster und intensiver wahr. Damit wird aus diesem Büchlein, das man doch so schnell durchlesen kann, eines, dessen Inhalt nachwirkt und zum Reflektieren anregt. Eines, das ich in Zukunft mit Sicherheit gerne wieder zur Hand nehmen werde.

 

Persönliches Fazit

Jean-Marc Ceci beweist, dass inhaltliche Tiefe nicht mit Quantität in Verbindung steht. Sein „Herr Origami” beeindruckt mich mit einer poetischen Schlichtheit, die nachwirkt.

© Rezension: 2017, Marcus Kufner

 

Herr Origami
Jean-Marc Ceci (Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer)
Roman
Hoffmann und Campe Verlag - ISBN: 9783455001518
2017
gebunden, 160 Seiten
1 comment

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1 comment

Leselaunen 25. September 2017 - 17:06

Das klingt wirklich interessant. Und das Cover ist absolut gelungen.

Neri, Leselaunen

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