Bereits bei „Der Rabe” konnte ich mich davon überzeugen, dass Lionel Davidson (1922-2009) spannende Romane schreiben konnte. „Die Rose von Tibet” ist 1962 erschienen, der Text wirkt aber keineswegs angestaubt.
Am Anfang überrascht mich Davidson damit, dass er nicht einfach die Biografie von Charles Houston erzählt. Er gestaltet das als Buch im Buch. Ihm als Schriftsteller wird Houstons Geschichte zugetragen und er prüft, ob man diese verlegen lassen kann. Davidson heftet sich an Houstons Fersen, um herauszufinden, ob die geschilderten Ereignisse der Wahrheit entsprechen oder ob sie und die beteiligten Figuren nur erfunden sind. Währenddessen begleiten wir Houston auf seiner außergewöhnlichen Reise ans Ende der Welt.
Als Charles Houston sich 1950 aufmacht, um seinen Stiefbruder zu suchen, kann er nicht einfach in ein Flugzeug steigen und nach Tibet fliegen. Die politische Situation dort ist sehr angespannt, das kommunistische China bedroht das kleine Land im Himalaya. Damit die Chinesen ihnen nicht unterstellen kann, mit dem Westen zu kollaborieren, schotten sich die Tibeter ab und lassen keine Ausländer einreisen. Houston fliegt nach Indien und sucht von dort aus einen Weg in das mythenumwobene Land. Wind und Wetter und die Luft in über viertausend Metern Höhe sind Strapazen, die ihn an den Rand seiner körperlichen Möglichkeiten bringen.
„Durch was für eine irrsinnige Abfolge von Missgeschicken hatte es dazu kommen können, dass der Kunstlehrer der Mädchenoberschule in der Edith Road sich verstohlen unter den Wassern eines tibetanischen Sees vorankämpfte, um mit einer Dämonin das Bett zu teilen?” (S. 228)
Was Houston in diesem fremden Land erlebt, hätte er sich selber so nicht ausmalen können. Allein die Leidenschaft, die das Treffen mit einer exotischen Schönheit bei ihm auslöst, lässt mich mitfiebern. Er gerät aber auch immer wieder in gefährliche Situationen, die ich atemlos mitverfolge. Sein Leben hängt mehr als nur einmal am seidenen Faden. Lionel Davidson beschreibt diese Momente sehr packend. Aber auch die Faszination der spektakulären Landschaft und der fremden Mythen und Gebräuche vermittelt er gekonnt. Die Stellen, bei denen er zu seinen Buchrecherchen zurückkehrt, nehmen zwar das Tempo etwas heraus, tut dem Abenteuer aber keinen Abbruch.
Persönliches Fazit
„Die Rose von Tibet” bietet Abenteuer mit packenden Momenten in einem fernen und exotischen Land. Dass der Roman schon über fünfzig Jahre alt ist, habe ich ihm nicht angemerkt. Wer sich gerne in die Fremde entführen lässt, sollte einen Blick riskieren.
© Rezension: 2017, Marcus Kufner
Roman
Penguin Verlag - ISBN: 9783328100034
2017
Taschenbuch, 448 Seiten
2 comments
Huhu,
ich danke dir für diesen tollen Buchtipp. Das klingt so spannend, dass ich es mir gleich auf die WuLi für Weihnachten gesetzt habe.
Ich wünsche dir einen schönen Sonntag, auch wenn es heute nicht so recht hell werden mag.
Liebe Grüße
Tamara
Hallo Tamara,
freut mich, dass dich der Titel anspricht. Allzu weit ist es ja nicht mehr bis Weihnachten 🙂
Das Schöne an so einem verregneten Sonntag ist, dass man draußen gar nichts verpasst, also ideales Lesewetter!
Viele Grüße,
Marcus