Rezension: Immerschuld | Roman Klementovic

by Wolfgang Brandner
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Tödliches Schweigen  Sie fanden ihn am Waldrand in der Nähe des Dorfes. Die brütende Hochsommerhitze der letzten Tage hatte ihm schwer zugesetzt. Der Fäulnisgeruch war kaum zu ertragen. Hektisches Fliegensummen, überall Parasiten und Blut. Es sah so aus, als wäre er mit einem Messer massakriert worden, vielleicht auch mit einer Axt. Doch es war etwas anderes, das ihre volle Aufmerksamkeit auf sich zog. Etwas, das ihnen noch viel mehr Angst machte … [Text & Cover: Gmeiner Verlag]

Sowohl der Titel “Immerschuld”, als auch der Inhalt des neuen Romans von Roman Klementovic knüpfen an den erfolgreichen Vorgänger “Immerstill” an. Wenig Zeit ist seit den Ereignissen um verschwundene Jugendliche vergangen, nach kurzer Prominenz in den nationalen Schlagzeilen ist der kleine Ort Grundendorf in seine langsame Agonie zurückgefallen. Auch diesmal wird ein junges Mädchen vermißt, zudem werden zwei brutal zu Tode gequälte Hunde aufgefunden. Auch diesmal wird in der ersten Person von einer verzweifelten Suche und dem Anrennen gegen kleinkarierte Gleichgültigkeit erzählt. Mit Patrick, dem inwzsichen suspendierten Polizisten aus “Immerstill”, befördert der Autor eine Neben- zur Hauptfigur und entwickelt damit eine flüchtige Bekanntschaft zu enger Vertrautheit.

Wüßte man nicht, daß “Immerschuld” in Niederösterreich spielt, man würde den Text spontan in Kärnten verorten. Roman Klementovic stattet seine Dorfbewohner mit einer niederträchtigen Triebhaftigkeit aus und zeigt sich in einer Weise von dumpfer Provinzialität angewidert, die an Literaten wie Peter Handke und Josef Winkler erinnert, die aus dem südlichsten Bundelsand Österreichs stammen. Der alltägliche Tratsch ist wie ein permanent tagendes Dorfgericht, dessen jederzeit verhängte Urteile endgültig sind.

“Tratschweiber patrouillierten auf ihren Fahrrädern durch Grundendorf. Ihre Pensionistenhandys griffbereit im an der Lenkstange befestigten Korb, um Neuigkeiten sofort berichten zu können.” (S. 80)

Obwohl die Kritik diesmal gemäßigter, weniger tiradenhaft als noch im Vorgänger vorgetragen wird, ist es gerade diese Nüchternheit, die ihr die Schärfe verleiht. Das Dorf ist keine idyllische Zuflucht, sondern ein Ort der Zwietracht, an dem um des Friedens willen stets das Individuelle einem kollektiven Konsens untergeordnet werden muß. Mit Haßliebe, die sich wie Stacheldraht in der geschlossenen Faust anfühlt, wird “Immerschuld” somit zu einem aktuellen Antiheimatroman.

Bei der Ausgestaltung der Örtlichkeiten beschränkt sich Roman Klementovic auf das Notwendigste, dafür widmet er sich mit besonderer Aufmerksamkeit seinen Figuren. Zahlreiche Dialoge treiben die Handlung voran und wandeln sich oft von reinem Informationsaustausch zu brisanten Sprachduellen. Je aufgeheizter die Situation, desto klarter treten auch die Eigenheiten der einzelnen Charaktere zutage. Gefühle werden intensiv verkörperlicht, mit allen Sinnen erspürt, was einiges an Erzählzeit beansprucht:

“Mein Herz hämmerte wie verrückt. In meinen Schläfen pochte es. Das Blut rauschte mir in den Ohren. Kurz wurde mir schwarz vor Augen, ich musste alle Kraft aufbringen, um die Übelkeit zu unterdrücken.” (S. 237)

Obwohl die Drosselung des Erzähltempos das Inneleben der Figuren akzentuiert, vollziehen sich die Ereignisse der Außenwelt in einem anderen Takt. Der Autor setzt zur Steigerung der Spannung außerdem auf das Stilmittel der Vorausdeutung, das in manchen Passagen etwas zu großzügig eingsetzt ist. Bis das Rätsel um die Vermißte schließlich gelöst ist, weist jedes Kapitel auf die seit ihrem Verschwinden verstrichenen Stunden und Minuten hin. Die Zeit wird zu einem kritischen Aspekt, der Leser ist ständig in Alarmbereitschaft.

 

Persönliches Fazit

“Immerschuld” ist ein Antiheimatroman mit scharf gezeichneten, lebendigen Figuren, in dem oft Vorausdeutungen mit der eigentlichen Handlung ringen.

© Rezension: 2018, Wolfgang Brandner

 

Immerschuld
Roman Klementovic
Thriller
Gmeiner Verlag - ISBN: 9783839220665
2017
Klappbroschur, 347 Seiten
2 comments

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2 comments

Evelin Brigitte Blauensteiner 22. August 2018 - 15:25

Nächste Woche bin ich 5 Tage im Waldviertel/Niederösterreich … irgendwie bereitet mir der Buchinhalt Herzklopfen … ?! Evelin Brigitte Blauensteiner
(Facebook-Teilen ist ok?!)

Reply
Wolfgang 22. August 2018 - 20:13

Da wünsche ich Dir schöne erholsame Tage in der Heimat von Roman Klementovic.
Wenn Du Dir dafür Lektüre zusammenstellst, packe aber bitte auch “Immerstill” ein. Das ist die Vorgeschichte, und “Immerschuld” schließt unmittelbar daran an. Und wenn Du dann schon vor Ort liest, kannst Du ja vergleichen, ob Romans Charakterisierungen der Menschen und Landschaft zutreffen.

Schönen Urlaub!

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