Rudy Reyes, genannt Glasses, ist die rechte Hand des Drogenkönigs. Er hat eine solide Verbrecherkarriere hinter sich, aber er hat auch Familie in Mexiko, wo die Kartelle ganze Dörfer abschlachten. Glasses fühlt sich mitschuldig, er will ein neues Leben beginnen. Mit der Polizei arbeitet er seit längerem zusammen; gerade hat er eine Liste mit den Gelddepots der Gangs geliefert. Vielleicht ist auch er ein Dead Man Walking.
Über Umwege gelangt Ghost an die Liste. Er zögert nur kurz und setzt sich dann mit dem durchgeknalltesten Verbrecher in Verbindung, den er kennt: Es ist sein eigener Stiefbruder. Mit ihm zusammen will er den Coup durchziehen. Doch der Mob ist ihnen bald auf den Fersen. Schließlich steht Ghost dem Drogenkönig gegenüber. Alle wissen: Sterben muss Ghost so oder so. Und das gibt ihm die Macht, Bedingungen zu stellen. [© Text und Cover: Rowohlt Verlag]
Wenn es zu jeder Zeit Bedarf für einen Helden gibt, dann für einen wie Robin Hood. Ricky Mendoza ist ein solcher Kämpfer für die Gerechtigkeit. Wir schreiben das Jahr 2008, die Bankenkrise ist schon nicht mehr aufzuhalten, und durch das Platzen der Immobilienblase droht vielen der Verlust ihrer Häuser. Ricky kennt einige von denen, die ohne eigenes Verschulden in diese Spirale geraten sind und kurz davorstehen, auf der Straße zu landen. Das will er verhindern, indem er etwas von dem Geld, das er im Namen der DEA aus den Tresoren der Drogenhändler holt, abzweigt. Da kann schnell eine bemerkenswerte Summe zusammenkommen.
Es ist Ricky vollkommen klar, dass er mit seinen Aktionen auf der Abschussliste der Dealer landet. Das kalkuliert er ein, denn sein Tumor ist zurück und er spürt, dass er sowieso nicht mehr lange zu leben hat. Bis sie ihn erwischen, will er aber möglichst viel Geld für die Familien, die es dringend brauchen, abschöpfen.
Wisst ihr, für die Dinge, die ich getan habe, gibt es keine Vergebung. Ich kann nicht mehr zurück und wieder ein normales Mitglied der Menschheit werden. Ich kann es jetzt bloß noch versuchen. Versuchen, Menschen zu helfen, aber noch viel mehr versuchen, nicht einem einzigen weiteren Menschen weh zu tun in der Zeit, die mir noch bleibt.“(S. 138)
Auf der Gegenseite steht Rudy Reyes, die rechte Hand des Drogenbarons. Er lenkt die Geschäfte äußerst effektiv und gnadenlos. Allerdings hat sich für ihn der Fokus verändert, seit er Vater ist. Jetzt beschäftigt er sich mit der Frage, wie er sich und seine Familie aus dem kriminellen Milieu herausholen kann. Ricky ist für seine Pläne eine Bedrohung, das Gleichgewicht zwischen den Banden und den Cops scheint durch ihn zu kippen.
Ricky ist ein äußerst faszinierender Charakter, denn er hat eine sehr bewegte Vergangenheit. Ein richtiges Zuhause hatte er nie, schon als Jugendlicher kam er mit Drogen in Kontakt. Mit siebzehn hat er dann zunächst den Krebs besiegt. Seine Freundin Rose hatte das nicht geschafft. Die Erinnerung an sie prägt ihn auch jetzt noch, sechzehn Jahre später. Er hat ständig die Kassette im Autoradio, die sie damals für ihn aufgenommen hat. Die Songliste steht übrigens gleich am Beginn des Buchs, wer nichts gegen Punkrock hat, kann sich also gleich die Playlist dazu ziehen. Der Sound verstärkt den bittersüßen Ton des Buches sehr gut, diese Mischung aus Verzweiflung und dem Gefühl, das Richtige zu tun.
Ricky und Rudy wechseln sich kapitelweise als Erzähler ab. Der Leser wird dabei gelegentlich mit direkter Anrede mit einbezogen. Sie stammen beide aus der gleichen Gegend von L.A., ihre Sprache ist entsprechend ihres Umfelds einfach, ihr Denken gangstermäßig. Mit dem Gesetz der Straße kennen sich beide hervorragend aus. Mir wird schnell klar, dass sich die beiden früher oder später über den Weg laufen werden. Wie das ausgehen wird, ist allerdings völlig offen.
Die Geschichte von „Safe“ spielt sich in nur drei Tagen ab und ist dadurch sehr intensiv. Das Setting wirkt sehr real und die beiden Hauptdarsteller sind außergewöhnlich gut charakterisiert. Beide sind auf einem Ritt auf der Rasierklinge unterwegs, was ich mit viel Spannung verfolgt habe. Eine Spannung, die eher subtil als actionreich ist, aber umso mehr unter die Haut geht.
Persönliches Fazit
„Safe“ punktet mit einem packenden Setting und starker Charakterisierung. Eine Robin-Hood-Geschichte, die mich bis zum Ende mitgerissen hat.
© Rezension: 2018, Marcus Kufner
Thriller
Rowohlt Verlag – ISBN: 978-3-498-02537-3
21.08.2018
Gebunden
416
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