Sehnsüchtig hatte ich den neuen Roman von Paolo Cognetti Sofia trägt immer schwarz erwartet und wurde nicht enttäuscht. Er entwickelte dieselbe Sogwirkung wie sein Vorgänger Acht Berge (zur Rezension), obschon es ein gänzlich konträres Buch ist. In “Sofia” fehlt die Ruhe und Ausgeglichenheit, das Meditative der Berge. Sie ist rastlos und aufgewühlt, bereits von Kindesbeinen an.
(…) Es geht weniger um das, was ich gesehen habe, als um das, was ich nicht gesehen habe. (…)
Es sind die Achziger. Sofia Muratore wächst in Mailand als Einzelkind in zerrütteten Verhältnissen auf. Während der Vater sich hinter seiner Arbeit versteckt, für die er sogar seine Gesundheit ruiniert, entschwindet die Mutter in Depression und Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Tochter.
Rossana leidet an manisch-depressiven Schüben, die sich im Laufe der Jahre immer weiter verschlimmern. Sie kann ihre Tochter nicht wirklich erziehen, ihr keinen Halt und Geborgenheit geben oder sie auch nur ansatzweise so lieben, wie sie es verdiente. Dennoch strotzt die Figur der Sofia vor Lebendigkeit. Wie Cognetti ihr Heranwachsen beschreibt, ist äußerst poetisch, stark und auch schmerzlich.
Sofia reißt den Schrank auf, wirft die Nachttischlampe hinein, zwängt sich zwischen Unterwäsche und aufgehängte Kleider und benutzt einen Stapel Pullover als Kopfkissen. Nachdem sie es sich so bequem gemacht hat, schaltet sie die Lampe ein und schlägt das Buch auf. Sie streckt einen Fuß aus dem Schrank und zieht damit erst eine und dann auch die andere Schranktür zu, damit ihr Zimmer nichts weiter ist als ein dunkler, unbewohnter Ort.
Nach einem Selbstmordversuch zieht Sofia zu ihrer Tante Marta und durch sie bekommt sie Halt und so etwas wie Struktur. Doch Sofia ist bereits zu verwildert, um sich gängigen Konventionen anzupassen. Die Szenen zu Beginn, als sie im Kinderspiel Herrin über den kleinen Park ihres Viertels ist, ziehen sich unterbewusst durch ihr ganzes Leben. Wie eine Piratenkönigin regiert sie erst über ihr kindliches Umfeld und später vor allem über ihre Beziehungen. Sobald es ernst wird oder Probleme entstehen, entzieht sie sich und schlägt ihr Lager woanders auf. So treibt es sie von Mailand über Rom bis nach New York.
Ich will im Hier und Heute glücklich sein.
Persönliches Fazit
Alle Familienmitglieder bekommen ihr eigenes Portrait und eine Stimme und alles zusammengenommen macht diesen Roman aus. Für mich war Sofia trägt immer Schwarz von Paolo Cognetti eine Mischung aus Holly Golightly, Betty Blue und Madonna. Das Ganze verpackt in eine wunderbare Sprache. Ich wünsche diesem Buch viele begeisterte Leser und ich bin sicher, das es sie haben wird.
© Rezension 2018, Corinna Klein
Roman
Penguin Verlag | ISBN 9783641230357
September 2018
Gebunden mit Schutzumschlag
240 Seiten
Website Penguin Verlag