Rezension: Walter muss weg | Thomas Raab

by Marcus Kufner
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Walter muss weg

Glaubenthal: Umgeben von ausgedehnten Wäldern liegt es in einer sanften, von wildromantischen Schluchten durchzogenen Hügellandschaft. Doch der schöne Schein trügt – dieses Dorf hat es in sich. Das bekommt auch Hannelore Huber auf der Beerdigung ihres Mannes zu spüren. Groß war die Vorfreude auf ein beschauliches Leben in Harmonie: endlich Witwe. Nun aber muss sie auf ihre alten Tage auch noch Ermittlerin werden. Denn im Sarg ruht, wie sich zeigt, nicht ihr Ehegatte, sondern eine falsche Leiche. Und in Glaubenthal ist es mit der Idylle vorbei. [© Text und Cover: Verlag Kiepenheuer & Witsch]

Nachdem ich die Metzger-Reihe von Thomas Raab mit viel Vergnügen gelesen habe, habe ich mich sehr darüber gefreut, dass er eine neue Krimireihe startet. Hannelore Huber heißt die neue Hauptdarstellerin, ist siebzig, Frau eines Landwirts und freut sich diebisch, dass eben der nämliche kürzlich verstorben ist. Nach 53 Jahren wenig liebevoller Ehe freut sie sich über die endlich erlangte Freiheit. Dummerweise stellt sich bei der Beerdigung heraus, dass da jemand anderes im Sarg liegt. Statt der ersehnten Ruhe zu frönen muss sich Frau Huber jetzt die Frage stellen: Wo ist Walter?

Während der Suche lernen wir viele der Einwohner des Dörfchens Glaubenthal kennen. Mit über dreißig Charakteren ist der Kreis derer, die mit Walters Verschwinden etwas zu tun haben könnten, groß. Das sind damit automatisch so viele Verdächtige, dass sich eine plausible Erklärung für die falsche Leiche nicht aufdrängt. Der Plot ist also recht einfallsreich und nicht leicht zu durchschauen. Das hält mich gut bei der Stange. Spannend ist auch das Verhältnis der Bewohner untereinander. So eine Dorfgemeinschaft ist halt doch recht speziell, da geht man bei aller Idylle nicht zwangsläufig friedlich miteinander um. Das beobachtet Thomas Raab ebenso scharfsinnig wie scharfzüngig.

Walter muss weg

Die Ausarbeitung der Figuren ist von unterschiedlicher Intensität. Während beispielsweise der ermittelnde Polizist, auch wenn er nicht wirklich gut wegkommt, sehr anschaulich charakterisiert wird, bleibt ausgerechnet die Hauptdarstellerin Frau Huber recht blass. Thomas Raab erzählt nicht sehr viel von ihr, so lerne ich sie auch nicht gut kennen und kann ihr nicht viel Sympathie entgegenbringen. Ich hoffe, er arbeitet in den folgenden Bänden noch einige Ecken und Kanten bei ihr heraus. Potenzial hat ja so eine ältere, mürrische und einsame Witwe in dieser Rolle, weicht sie doch vom Standard vieler Krimis angenehm ab.

Herrlich sind die Spitzen, die Thomas Raab in seinem Text untergebracht hat. Da bekommen Politik und Gesellschaft gerne mal einen kräftigen Seitenhieb ab. Und das mit viel Verstand und trockenem, manchmal schwarzem Humor.

Katalane will ja nicht mehr Spanier, sondern autark sein, wie die Schotten, England generell. Öxit, Dexit, Fraxit, Ixit, Grexit, Poxit, weiß der Teufel, damit sich irgendwann in diesem Jahrhundert die Menschen wenigstens wieder in Kleinkriegen ordentlich zerfleischen können, wenn sie schon kein drittes weltweites Gemetzel zusammenbringen! (S. 304)

Das ruft so manchen Schmunzler hervor. Sprachlich kommt die neue Reihe im Vergleich zu den Metzger-Krimis anders daher. Es ist ja durchaus begrüßenswert, wenn ein Autor nicht immer nur dasselbe macht. Der Text ist hier deutlich knapper gehalten. Der Charme, den der Willibald Adrian Metzger mitgebracht hat, fehlt damit, und die Atmosphäre wird im Vergleich dazu insgesamt herber. Das passt zwar gut zu den ziemlich mürrischen Dorfbewohnern, verknotet sich aber in einigen Abschnitten und schränkt gelegentlich den Lesefluss ein. Trotzdem hatte ich mit der „Huberin“ viel Spaß, denn es ist eine ganz besondere Art, wie Thomas Raab seinen Protagonisten den Spiegel vorhält.

Walter muss weg

Persönliches Fazit

Herber, weniger charmant als die Metzger-Krimis, aber genauso scharfsinnig schildert Thomas Raab den ersten Fall der Frau Huber. Seine Hauptdarstellerin bleibt zwar noch etwas blass, der Plot und viel schwarzer Humor haben mich aber trotzdem gleichermaßen gefesselt wie amüsiert. Ich werde den nächsten Teil der Reihe sicher nicht verpassen.

© Rezension: 2018, Marcus Kufner

 

Walter muss weg Book Cover Walter muss weg
Frau Hubers erster Fall
Thomas Raab
Roman
Verlag Kiepenheuer & Witsch | ISBN: 978-3-462-05095-0
7.09.2018
gebunden
384
www.kiwi-verlag.de
1 comment

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1 comment

read MaryRead - Literaturmagazin 10. Oktober 2018 - 0:30

Klingt nach einer interessanten neuen Krimireihe. Dieser Krimi kommt definitiv, dank der Rezension, auf meine Liste.

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