Es ist ein außergewöhnliches Trio, das uns als Ich-Erzähler die Geschichte dieses Romans erzählt. Ellie ist ein Kampfjetpilot der US-Armee, der lieber im Kriegseinsatz ist als zu Hause bei seiner Frau. Der fünfzehnjährige Momo lebt mit seiner Familie im Flüchtlingscamp, arbeitet allerdings intensiv und mit großer Ernsthaftigkeit an seiner Karriere als Geschäftsmann. An seinem Erfolg zweifelt er keine Sekunde. Der dritte Erzähler ist ein sehr ungewöhnlicher: Mutt ist Momos Hund. Seine Ausführungen habe ich mit dem größten Vergnügen verfolgt, denn es sind nicht nur simple Gedanken, die ihn umtreiben. Er versteht durchaus komplexe Zusammenhänge und durchschaut sein menschliches Umfeld auf eine entwaffnende Art und Weise.
In Mohammed Hanifs Roman agiert kaum einer so, wie man es eigentlich erwarten würde. Als Momo den kurz vorm Verdursten stehenden Ellie findet, ignoriert er ihn erst einmal. Er begegnet ihm mit größtem Misstrauen und sieht sich keineswegs als Retter in der Not. Ellie wiederum scheint kein großes Interesse daran zu haben, das Camp und das Land zu verlassen. Dabei redet er doch ununterbrochen von seiner Frau Cath. Wieso will er nicht zurück zu ihr? Entscheidend ist hier die Rolle von Mutt als nicht-humanoider Beobachter. Vor allem seine Ansichten entlarven den Widersinn menschlichen Handelns auf ebenso scharf- wie feinsinnige Weise. Die Art der Kriegsführung der westlichen Staaten im nahen Osten ist dabei nur ein Thema, dessen Sich-selbst-in-die-Tasche-lügen aufgedeckt wird.
Es war ganz einfach, erst bombardierten sie uns, dann schickten sie uns gebildete Leute, die sich um unsere psychische Gesundheit kümmern sollten. Es gab Workshops wie »Leben mit dem Trauma« für Eltern, es gab eine Umfrage zu »Traditionelle Heilmethoden in Zeiten von Not und Aufruhr«. Unser Camp entwickelte sich unter Ausländern mit guten Absichten zum beliebten Reiseziel. (S. 56)
Trotz des sehr feinen, ironischen Stils zieht sich die Geschichte etwas in die Länge, weil die Handlung nicht so richtig vorangeht. Das ändert sich jedoch, als Mutt anfängt, die titelgebenden roten Vögel zu sehen. Dieses Element bringt einen Hauch von orientalisch anmutender Mystik ins Buch, die sich erst langsam einschleicht, sich dann aber deutlich weiter entwickelt (Konkreteres verrate ich hier zum Erhalt der Spannung nicht). Dranbleiben lohnt sich also auf jeden Fall!
Persönliches Fazit
Mohammed Hanifs ebenso scharf- wie feinsinnige Beobachtung menschlichen Verhaltens hat mich gleich vereinnahmt. Vor allem sein ungewöhnlicher Erzähler auf vier Pfoten konnte mich begeistern. „Rote Vögel“ hat zwar einige Längen, es lohnt sich aber, bis zum kuriosen Finale dranzubleiben.
© Rezension: 2019, Marcus Kufner
Roman
Hoffmann und Campe – ISBN: 978-3-455-00516-5
5.03.2019
Gebunden
320
www.hoffmann-und-campe.de