Auf den ersten Blick scheint es sich bei diesem Buch um eine Art von „Bauer sucht Frau“ zu handeln, was eher auf leichte, amüsante Unterhaltung schließen lassen könnte. Das wäre ein Irrtum. Mathijs Deen erzählt vielmehr auf literarische Weise, wie zwei Menschen versuchen, sich mit jeweils ihren eigenen, sehr unterschiedlichen Erwartungen auf einen gemeinsamen Weg einlassen.
Jan ist genauso nordisch-herb, wie ich mir einen niederländischen Landwirt, der allein direkt an der Nordsee wohnt, vorstelle. Er ist nicht unfreundlich, aber wortkarg, weil er nach dem Tod seiner Eltern nur noch selten Kontakt zu anderen Menschen hat. Er macht kein unnötiges „Geschnacke“. Der nächste Nachbar ist auch nicht gerade um die Ecke, und ins Dorf fährt er auch nur selten zum Einkaufen. Tagaus, tagein allein mit seinen Gedanken kann man schon ein wenig eigentümlich werden. Unter diesen Umständen stelle ich mir das schwierig vor, eine Frau zu finden, die sich auf so einem Kerl einlassen würde.
Wil findet seine Kleinanzeige allerdings interessant. Ein einsames Haus am Meer – kann das nicht der Ruhepunkt sein, den sie in ihrem Leben braucht? Mit dem Mann dazu wird sie schon zurechtkommen, wenn er nicht gerade ein völliger Psychopath ist. Zurückblickend erfahren wir, dass sie auch schon einige Schwierigkeiten in ihrem Leben zu bewältigen hatte. Es treffen also zwei Menschen aufeinander, die durchaus eigene Geschichten mitbringen. Umso spannender ist es, ob und wie sie sich zusammenraufen werden.
Jan ist also allein, aber das ist noch nicht alles. Er ist, denkt er, auch der Einzige, der darüber nachdenkt, dass er allein ist. Außer ihm gibt es niemanden, den seine Situation interessiert, nicht, weil niemand von seiner Existenz wüsste, sondern einfach, weil es niemanden gibt, dessen Gedanken ihm gelten. Keiner außer ihm weiß von seiner Einsamkeit. (S. 52)
Wil muss sich allerdings nicht nur mit Jan auseinandersetzen. Im Dorfladen wird sie als Fremde kritisch beäugt. Eine aus der großen Stadt wird dort nicht so einfach in die Gemeinschaft aufgenommen. Mathijs Deen gelingt es auf besondere Weise, das Spannungsfeld zwischen den Beteiligten einzufangen. Er versetzt mich nicht nur in diese karge und doch bezaubernde Landschaft, die seinen Bewohnern einiges abverlangt. Er bringt mir auch seine beiden Helden mit ihren leicht skurrilen und ziemlich schrulligen Eigenheiten näher. Es sind gerade die Ecken und Kanten dieser Charakterköpfe, die dieses gelungene literarische Psychogramm interessant machen.
Persönliches Fazit
Mathijs Deen schildert gleichermaßen einfühlsam wie wortgewandt wie sich zwei Menschen zusammentun, die nicht gerade füreinander geschaffen zu sein scheinen. Sein atmosphärisch äußerst passender Schreibstil fängt die Besonderheiten der Küstenlandschaft und deren wortkargen Bewohner sehr gut ein und hat mich in den Bann gezogen.
© Rezension: 2019, Marcus Kufner
Roman
mare – ISBN: 978-3-86648-280-7
12.02.2019
Gebunden
192
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