Rezension: Alleingang | Stefan Moster

by Marcus Kufner
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“Alleingang” von Stefan Moster

 

Der Weg in die Freiheit ist ein Weg zurück: Am Tag seiner Haftentlassung werden in Freddy Erinnerungen lebendig an die Zeit, als freie Liebe und der Hunger nach Anerkennung sein Leben bestimmten und er sich schließlich entschied, aus Freundschaft das Äußerste zu tun. Der Preis war hoch. Zu hoch? War es richtig, unbeirrt dem eigenen Kompass zu folgen? Überhaupt: Was darf es kosten, für seine innersten Überzeugungen einzustehen? [© Text und Cover: mare Verlag]

 

Einundfünfzig Jahre alt ist Freddy, als wir ihn am Tag seiner Entlassung aus der Haftanstalt begleiten. Es ist niemand da, der ihn abholt, also macht er sich zu Fuß auf in Richtung Bahnhof. Ein Ziel hat er allerdings noch nicht, ein Zuhause wartet nicht auf ihn. Auf seinem Weg kommen die Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend. So lernen wir ihn und seine Vergangenheit kennen, was uns auch zu der Antwort auf die Frage hinleitet, weshalb er im Gefängnis saß.

Seine Möglichkeiten waren ziemlich eingeschränkt: als jüngstes von dreizehn Kindern wächst er in einem Umfeld auf, was die Nachbarn despektierlich als asozial bezeichnen. Vater und Mutter kümmern sich hauptsächlich um sich selbst und lassen sich selten zuhause blicken. Die Großmutter versorgt die Bande zwar mit dem Nötigsten, von Erziehungsmaßnahmen wird Freddy aber nur selten geplagt. Welche Chancen hat ein Jugendlicher mit solchen Voraussetzungen? Das wäre heute nicht einfach, in den siebziger und achtziger Jahren war es für ihn noch schwieriger.

 

“Alleingang” von Stefan Moster

 

Sein Nachbar Tom wird sein bester Freund. Zusammen mit einigen anderen gründen sie eine WG und nehmen Freddy unter ihre Fittiche. Vor allem ihre linke politische Gesinnung wollen sie ihm vermitteln. Stefan Moster entlarvt allerdings ihre Scheinmoral. Ob die Teilnahme an Demos gegen die Startbahn West in Frankfurt oder das Ausleben der freien Liebe – die moralischen Predigten sind nicht wirklich deckungsgleich mit dem wahren Leben. Nur Freddy nimmt ihre Erwartungen sehr ernst.

Mit hängendem Kopf lacht er auf der Bahnsteigbank über sich selbst. Er hatte den Mut. Den Mut des Dummen. Den Mut dessen, der glaubte, den anderen etwas beweisen zu müssen. (S. 228)

Was prägt einen Menschen, was formt seinen Charakter? Für Freddy war es ein einschneidendes Erlebnis, als er bei Tom Muhammad Ali 1974 gegen George Foreman live im Fernsehen mitverfolgen konnte. Ali wurde sein Vorbild: ein fairer Sportsmann, der aber hart zuschlagen konnte, wenn es nötig war. Dass das im echten Leben nicht immer

“Alleingang” von Stefan Moster

funktioniert und mit den Regeln übereinstimmt, wird Freddy noch merken. Stefan Moster formt ihn zu einem sehr sympathischen Außenseiter, der sich auf die Suche macht nach seinem Platz in der Gesellschaft und nach der Geborgenheit, die er als Kind vermisst hat. Dabei beweist er sich als feinsinniger Beobachter mit einer guten Prise Humor. Nicht zuletzt lassen Freddys Erinnerungen die siebziger und achtziger Jahre sehr lebensnah und mit hohem Wiedererkennungswert wieder auferstehen.

 

Persönliches Fazit

Eine unterhaltsame Zeitreise in die Siebziger und Achtziger mit einem sehr sympathischen Außenseiter. Für mich war „Alleingang“ eine sehr kurzweilige Lektüre, gut beobachtet und mit einer angenehmen Prise Humor.

© Rezension: 2019, Marcus Kufner

 

Alleingang Book Cover Alleingang
Stefan Moster
Roman
mare – ISBN: 978-3-86648-297-5
12.02.2019
Gebunden
368
www.mare.de
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