Die CIA auf den Spuren eines Mörders – oder eines Unschuldigen? Das klingt nach einem spannenden Plot. Also packen wir den (literarischen) Koffer, begeben uns nach Berlin und hoffen auf Licht im Dunkeln.
Die Hauptfigur des Romans ist Pawel, polnischer Philosoph, der diesem Beruf auf effektive Weise nachkommt: er streunt von morgens bis spät abends durch die Stadt, kann beobachten und das Treiben in der Hauptstadt aufsaugen. Er lebt vom Einkommen seiner deutschen Frau Frieda, die als Psychologin tätig ist, und scheint ganz zufrieden damit zu sein, keiner Arbeit nachgehen zu müssen. Aber er vermisst Konrad, der spurlos verschwunden ist. Nicht einmal ihm, seinem besten Freund, hat er eine Nachricht hinterlassen. Ob er überhaupt noch lebt? Pawel kann nur spekulieren, was ihm zugestoßen sein könnte. Erst als er die junge und unkonventionelle Jana trifft, beginnt er mit ihrer Hilfe mit Nachforschungen.
Olaf Kühl hat sein Personal geschickt gewählt: als Pole hat Pawel seine eigene Sicht auf Deutschland und die Deutschen. Als Therapeutin bringt seine Frau dazu eine psychologische Komponente ins Spiel. Eine Kurdin als Geliebte, amerikanische CIA-Ermittler und ein ukrainischer Hacker bringen sehr differenzierte Strömungen mit in die Handlung und reflektieren gleichzeitig die aktuelle weltpolitische Lage. Dass die großteils genauso absurd erscheint wie das Vorgehen der CIA-Agenten in diesem Fall, verpackt der Autor mit gut dosierter Ironie.
Alles, was die Deutschen zu dem macht, was sie heute sind: Wesen, die jedem Abenteuertum und allen Höhenflügen abhold sind, konkrete Menschen, ohne Berufung zu bedeutenden Taten. Passiv und verweiblicht von dem Östrogen, mit dem sie ihr Futter in den Ställen mästen (S. 337)
Berlin, Berlin
Berlin steht völlig zurecht bereits im Titel des Buchs. Die Hauptstadt ist als Schauplatz ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte. Es sind aber nicht nur markante Punkte, die der Handlung als Kulisse dienen, auch weniger schillernde Stadtteile tragen zur besonderen Atmosphäre bei. Vor allem aber als Schmelztiegel der Kulturen ist Berlin die ideale Spielwiese für politische Akteure aus allen möglichen Richtungen. Da kann man sich als Autor gut bedienen.
Sie glauben, sie verjagen ein paar Obdachlose aus ihrem aufgeräumten Tiergarten, sie deportieren ein paar schmuddelige Osteuropäer, und alle Probleme wären gelöst. Sie sind blind für das, was da von außen langsam und machtvoll heranrückt, etwas viel Gefährlicheres und Bedrohlicheres als die paar Menschen ohne Dach über dem Kopf, die paar Flüchtlinge in ihrer Stadt. (S. 314)
Action- und temporeich ist dieser Politthriller nicht, dafür aber sorgsam konstruiert und klug erzählt. Ich frage mich lange, ob sich die Story eher um eine komplexe Intrige oder doch nur um einen Sturm im Wasserglas dreht. Manchmal würde ich den guten Pawel gerne ein wenig anschieben, damit er etwas flotter vorwärtskommt, sein wenig geradliniges Vorgehen ist aber durchaus erhellend und unterhaltsam. Sprachlich wirkt der Roman sehr ausgereift, der Erzählton tendiert dabei ins Pessimistische und Melancholische. Ob die Befürchtungen der Protagonisten der Wahrheit entsprechen oder an den Haaren herbeigezogen sind, darf der Leser für sich selbst entscheiden.
Persönliches Fazit
„Letztes Spiel Berlin“ ist kein temporeicher, aber ein klug erzählter literarischer Politthriller mit einem Schuss Ironie, in dem einiges Bedenkenswertes zum aktuellen Zeitgeschehen reflektiert wird. Der besondere Schauplatz, die interessanten Charaktere und der ausgereifte Erzählton haben mich gut unterhalten.
© Rezension: 2019, Marcus Kufner
Roman
Rowohlt Berlin – ISBN: 978-3-7371-0075-5
20.08.2019
Gebunden
352
www.rowohlt.de