Mick Kitson | Sal

by Marcus Kufner
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“Sal” von Mick Kitson

Sal ist zwar selbst noch ein Kind, doch als ihre kleine Schwester Peppa zehn Jahre alt wird, weiß sie genau, was sie tun muss: Sie muss sie vor dem Freund ihrer Mutter schützen, denn in diesem Alter hat es bei ihr angefangen. Ein Jahr hat sich Sal auf die Flucht vorbereitet, und nun versteckt sie sich mit ihrer kleinen Schwester Peppa bestens ausgerüstet im Wald. Die Einzige, die weiß, wo sie sind, ist die Deutsche Ingrid, die ebenfalls in der Natur lebt. Doch wer sagt, dass Hexen immer böse sind? [© Text und Cover: Verlag Kiepenheuer & Witsch]

 

Was machen zwei Mädels ganz allein im abgelegensten Wald von ganz Schottland? Und schaffen sie es dort, trotz der Kälte und der rauen Natur durchzuhalten? Diese Fragen drängten sich mir auf, als ich mit diesem Debütroman von Mick Kitson begonnen habe. Das klingt nach einem dramatischen Abenteuer.

In Rückblenden erfahren wir Stück für Stück, was Sal dazu bewogen hat, mit ihrer Schwester abzuhauen. Ihre Mutter hat ein gewaltiges Alkoholproblem und kümmert sich kaum noch um die beiden. Sal erzählt uns auch, was der Freund ihrer Mutter vor allem ihr angetan hat. Das macht mich als Leser wütend, ich wüsste schon, was diesem Robert abgeschnitten gehört. Von behüteter Kindheit kann da jedenfalls keine Rede sein.

Einmal hat sie Robert in die Hand gebissen, weil er Maw verprügelt hat. Er schickte sie mit einem Schlag durchs Zimmer und nannte sie »kleine Fotze«, und ich sprang auf sie drauf, damit er sie nicht noch mal schlagen konnte, und er trat mir zweimal in den Rücken, und ich bekam einen Bluterguss, der lila und dann gelb wurde, und war wieder nicht in der Schule. (S. 26)

Sal überlegt sich einen Plan. Sie weiß allerdings, dass der nicht mit dem Gesetz in Einklang steht. Natürlich will sie nicht ins Gefängnis, vor allem aber will sie nicht von ihrer kleinen Schwester getrennt werden, denn für die fühlt sie sich – im Gegensatz zu ihrer Mutter – verantwortlich. Sal ist ein schlaues Mädchen und zieht jede Menge Informationen über das Survival-Training aus dem Internet. Es muss sie elendig viel Geduld gekostet haben, bis es so weit war, dass sie die Ausrüstung beieinander hatte, die sie für das Überleben in der Wildnis benötigt.

 

“Sal” von Mick Kitson

 

Sal erzählt sehr detailliert über ihre Aufenthalt im Wald. Über das Bauen der Unterkunft, über das Feuermachen, über das Jagen und Fischen und das Fallenstellen. Diese Abschnitte ziehen sich leider dann auch ziemlich, es passiert auch lange nichts Besonderes. Das ist ziemlich zäh, da wäre weniger mehr gewesen. Erst als sie Ingrid begegnen, wird es interessanter. Zum einen, weil wir von dem bewegten Leben der fünfundsiebzigjährigen Deutschen mehr erfahren, aber auch weil die Beziehung, die sich zu ihr entwickelt, eine starke soziale Komponente mit sich bringt. Die zweite Hälfte des Romans ist also klar die bessere.

Da die dreizehnjährige Sal als Ich-Erzählerin auftritt, ist die Sprache des Buchs recht einfach. Das passt gut und lässt sich auch schnell lesen. Das Mädchen ist aber auch ziemlich altklug, ich muss ihr schon ein gehöriges Maß Neugier attestieren, wenn sie sich beispielsweise bei der Vorbereitung ihrer Flucht mit der Verhinderung von Krankheiten wie Osteoporose und Osteopenie beschäftigt hat. Respekt. Ihre schlichte Erzählweise lässt emotionale Momente sehr glaubwürdig erscheinen und drückt nicht unnötig auf die Tränendrüse. Das ist auch gar nicht notwendig, denn längst haben mich die beiden tollen Mädchen vereinnahmt, und ich will unbedingt wissen, wie dieses Drama für sie ausgeht.

© Rezension: 2019, Marcus Kufner

 

Weitere Stimmen zum Buch:

 

Sal Book Cover Sal
Mick Kitson | Aus dem Englischen von Maria Hummitzsch
Roman
Kiepenheuer & Witsch | ISBN: 978-3-462-05140-7
22.08.2019
Gebunden
352
www.kiwi-verlag.de
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