Jasmin Schreiber | Marianengraben

by Marcus Kufner
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“Marianengraben” von Jasmin Schreiber

Paula braucht nicht viel zum Leben: ihre Wohnung, ein bisschen Geld für Essen und ihren kleinen Bruder Tim, den sie mehr liebt als alles auf der Welt. Doch dann geschieht ein schrecklicher Unfall, der sie in eine tiefe Depression stürzt. Erst die Begegnung mit Helmut, einem schrulligen alten Herrn, erweckt wieder Lebenswillen in ihr. Und schließlich begibt Paula sich zusammen mit Helmut auf eine abenteuerliche Reise, die sie beide zu sich selbst zurückbringt – auf die eine oder andere Weise. [© Text und Cover: Eichborn Verlag]

 

Es gibt Momente im Leben, da scheint die Zeit stehen zu bleiben, ab dem ist nichts mehr wie zuvor. Einen solchen Moment erlebt die Studentin Paula als sie erfährt, dass ihr kleiner Bruder tot ist. Diese schreckliche Nachricht wirft sie komplett aus der Bahn. Der Marianengraben ist eine sehr passende Assoziation dafür, was sich im Buch auch in den Kapitelüberschriften in Form von Tiefenangaben wiederfindet. Spricht man doch von tiefer Krise oder tiefer Depression, und tiefer wie der Marianengraben geht es ja nicht auf unserem Planeten.

Es ist ein sehr unwahrscheinlicher Zufall, dass Paula Helmut trifft. Diesen mürrischen alten Mann kann sie gerade so gar nicht brauchen, sie ist doch schon mit sich selbst überfordert. Es ist keine Überraschung, dass sie sich da täuscht. Es ist trotz des traurigen Themas des Buchs oft vergnüglich, zu verfolgen, wie dieses ungleiche Paar auf ihrem Roadtrip miteinander umgeht. Helmut nimmt nicht wirklich Rücksicht auf Paulas trübe Stimmung. Aber die ständig mitleidsvollen und sich Sorgen machende Freunde haben ihr nicht geholfen, vielleicht hat er einen besseren Zugang zu ihr. Jedenfalls weckt er ihre Neugier, denn Helmut ist ziemlich geheimniskrämerisch. Da will ich genauso wie Paula wissen, was er so sorgsam zu verheimlichen versucht.

 

“Marianengraben” von Jasmin Schreiber

 

Eine Stärke des Buchs ist die Charakterisierung der beiden Hauptdarsteller. Je mehr wir über Helmut erfahren, desto mehr Tiefe gewinnt seine Persönlichkeit, die er hinter seiner rauen Schale verbirgt. Das Zusammenspiel der beiden lässt auch viel davon erkennen, was in Paula vorgeht. Die Trauer und ihre Schuldgefühle halten sie gefangen, für sie scheint keine Erlösung in Sicht.

Das, was ich mir am meisten wünsche, ist, dass du in deinen letzten Sekunden nicht an mich gedacht hast, nicht gedacht hast, dass ich da sein müsste, um dich zu retten, mich nicht vermisst hast, nicht daran gedacht hast, dass wir uns nie wiedersehen würden. (S. 44)

 

“Marianengraben” von Jasmin Schreiber

 

Dass ein Buch, das sich mit Verlust, Trauer und Schuld beschäftigt, emotional wird, ist keine Frage. Jasmin Schreiber geht dabei aber wenig subtil vor. Sie setzt Paula als Ich-Erzählerin ein und verwendet dabei eine sehr einfache Sprache. Sie macht aus Paulas Herzen keine Mördergrube. Das wird besonders intensiv, wenn sie ihren toten Bruder direkt anspricht. Ihre starken Gefühle kommen bei mir als Leser unweigerlich an, etwas mehr Raffinesse hätte ich mir dabei allerdings schon vorstellen können. Paula wird mit der Zeit sehr tränenlastig, das wird mir dann doch zu viel der Emotionen. Trotzdem schafft es die Autorin, dem schwierigen Thema Tod, das wir doch meistens zu vermeiden trachten, mit einer gewissen Leichtigkeit zu begegnen. Das lässt mich sehr zügig bis zum Ende der Reise der beiden durch die Seiten fliegen.

© Rezension: 2020, Marcus Kufner

 

Weitere Stimmen zum Buch:

 

Marianengraben
Jasmin Schreiber
Roman
Eichborn – ISBN: 978-3-8479-0042-9
28.02.2020
Gebunden
254
www.luebbe.de
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[Belletristik] Marianengraben - Der Büchernarr 21. März 2020 - 17:47

[…] BücherKaffee (ohne Wertung, überwiegend positiv) […]

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