Mit diesem Roman möchte die polnische Autorin Maria Nurowska eine Frau ehren, die für sie Heldenstatus hat: Janina Lewandowska (1908-1940). Sie war war eine leidenschaftliche Fliegerin und wurde am Anfang des Zweiten Weltkriegs von der polnischen Armee eingesetzt. 1939 kam sie in sowjetische Gefangenschaft und war die einzige Frau unter Tausenden Opfern, die 1940 bei Katyn ermordet wurden.
Die Autorin bringt uns abwechselnd zwei Schicksale näher: Den einen Strang bilden die fiktiven Eintragungen Janinas in ein Notizbuch während ihrer Gefangenschaft. Die sind in Form von Briefen an ihren Ehemann geschrieben, die sie so natürlich nicht aus dem Lager hat schicken dürfen. Erst im Jahr 1997 erhält er dieses Dokument. In ihren Notizen erzählt sie nicht nur vom Leben im Lager sondern auch retrospektiv von ihrer Familie. Als Tochter eines Generals war es für sie nicht einfach, sich seinem Patriarchat zu erwehren. Gerade im konservativen Polen war die Rolle der Frau gesellschaftlich sehr eingegrenzt. Und eine Frau als Pilotin gehörte sich da schon gar nicht.
Sollte mich jemand fragen, was ich vom Leben erwarte, würde ich antworten: Ich will nach meinen eigenen Regeln leben! (S. 157)
Zwei Perspektiven
Nicht einmal zwei Monate war Janina mit Mieczyslaw (Spitzname Mieta) verheiratet, als der Krieg die beiden getrennt hat. Über ihn schreibt Maria Nurowska in dem zweiten Handlungsstrang. Da Mieta den Krieg überlebt hat, ist das Zeitfenster bei ihm weitaus größer als die gerade mal fünf Monate, die Janina für ihre Briefe hatte. Spannend liest sich, was er als Pilot unter britischer Führung über dem Ärmelkanal erlebt hat. Aber auch seine Suche nach ihr ist dramatisch. Er kann auch nach Kriegsende nicht herausfinden, was mit ihr passiert ist, obwohl er sogar in das neue kommunistische Polen reist, wo er umgehend verhaftet wird. Die Kombination dieser Erzählstränge ist Maria Nurowska sehr gut gelungen.
Die Form der biografischen Fiktion erlaubt der Autorin einige Freiheiten. Statt krampfhaft reine Fakten wiederzugeben, lässt sie Janina Lewandowska in ihren Briefen lebendig und mit einem ganz eigenen Charakter erscheinen. Durch das grausame Ende ist von Beginn an eine tragische Note vorhanden, die forciert sie nicht noch unnötig. Mit einer ungekünstelten Sprache lässt sie eine junge Frau zu Wort kommen, die trotz der widrigen Umstände nicht ihre Hoffnung und ihren Kampfgeist verliert.
Hier sind die Bedingungen alles andere als luxuriös, aber es könnte schlimmer sein. Man muss guten Mutes sein, was bleibt uns auch anderes übrig? (S. 131)
Mein Fazit:
Mit ihrem Roman hat Maria Nurowska ihrer Heldin ein würdiges und lesenswertes Andenken geschrieben. Die Briefform hat Janina Lewandowska für mich sehr lebendig werden lassen. Mit den beiden Perspektiven vermittelt sie sehr anschaulich die schwierige Situation der Polen zu dieser Zeit. Und nicht zuletzt ist es wichtig, dass die Erinnerung an das verbrecherische Massaker bei Katyn als Mahnung für die Zukunft erhalten bleibt.
© Rezension: 2020, Marcus Kufner
Weitere Stimmen zum Buch:
Roman
ebersbach & simon | ISBN: 978-3-86915-208-0
19.02.2020
Gebunden
240
www.ebersbach-simon.de