Welcher junge Mensch träumt nicht davon, anstatt täglich für bescheidenes Geld malochen zu gehen, in Saus und Braus zu leben? Ein Leben in Luxus und ohne Konventionen – etwas anderes kommt für den anonymen Erzähler nicht in Frage. Die meisten Menschen haben eine Hemmschwelle, die sie davon abhält, anderen zu schaden und kriminell zu werden. Die ist bei ihm nicht ganz so hoch, und je mehr er sich mit der Idee eines Raubüberfalls beschäftigt, umso realer wird das für ihn. Als er das dann durchzieht, ist sein Weg klar: raus aus der Kleinstadt, die Welt steht ihm jetzt offen. Ein Zurück in den spießigen Provinzmief wird es nicht geben.
Sollte das das Leben sein? Eine endlose Wiederholung ewig gleicher Monotonie? Was für eine Verschwendung! Was für eine Verschwendung des Lebens! (S. 8)
Der Erzähler lässt uns rückblickend an seinem Leben teilhaben, denn wie wir gleich zu Beginn erfahren, sitzt er nämlich bereits im Gefängnis. Wir wissen also, wie seine Geschichte endet. Ich will aber wissen, wie es dazu kam und was er bis dahin getrieben hat. Seine Entwicklung vom Kleinstadtbürger zum Jetsetter stellt Lucien DeLong auf eine realitätsnahe und damit nachvollziehbare Weise dar. Übertreibungen oder Unglaubwürdiges liefert er nicht. Spektakulär wird der Roman deshalb nicht, die Nähe zu einer möglichen Wahrheit hat aber seinen eigenen Reiz. Das spiegelt sich dann im Besonderen, wenn dem Erzähler das Geld ausgeht und er sich doch disziplinieren muss, um neues zu beschaffen. Oder auch, wenn das Paradies auf Jamaika oder Kuba aus der Gewohnheit zur Langeweile wird.
Es war langsam gekommen, ein wenig, ein wenig mehr … Aber wie konnte man des Paradieses überdrüssig werden? (S. 22)
Dass das Buch mit gerade einmal 144 Seiten relativ schmal ausfällt, liegt hauptsächlich daran, dass LeLong sich nicht lange an Details aufhält. Kurz und knackig sind die Kapitel und die Erzählweise seines Diebes. Ebenso schnörkellos aber ausdrucksstark ist seine Sprache, die die Ansichten des Erzählers passend transportiert. Etwas schade ist, dass es einige Rechtschreib- und Grammatikfehler ins Buch geschafft haben. Das stört mich dann doch irgendwann beim Lesen, wenn es sich so wie hier häuft. Die Lebensgeschichte des nicht unbedingt sympathischen aber sehr glaubhaften Meisterdiebs habe ich trotzdem gerne verfolgt. Der Roman ist nicht nur wegen des geringen Umfangs ein kurzweiliger.
© Rezension: 2020, Marcus Kufner
Roman
Phantom | ISBN: 978-3-89561-077-6
1.05.2017
Gebunden
144
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