
“Die Parade” von Dave Eggers
Die Bücher des US-amerikanischen Schriftstellers Dave Eggers sind mir schon öfter aufgefallen. Sie klingen nicht nur interessant, sie werden meist auch sehr gelobt. Tatsächlich ist „Die Parade“ aber der erste Roman von ihm, den ich gelesen habe. Der letzte wird es definitiv nicht sein!
Wir befinden uns in einem fiktiven Land, das nach einem blutigen Bürgerkrieg mit hunderttausenden Toten nach einem stabilen Frieden trachtet. Es wird ziemlich heiß tagsüber, die klimatischen Bedingungen und die landschaftlichen Gegebenheiten deuten auf eine subtropische Region hin. Ganz im Süden dieses Landes treffen sich zwei Mitarbeiter einer westlichen Straßenbaufirma. Dort wartet bereits die Maschine, mit deren Hilfe sie die Trasse bis in die Hauptstadt im Norden asphaltieren sollen. Natürlich gäbe es nicht wirklich etwas zu erzählen, wenn das ganz ohne Schwierigkeiten gelingen würde.
Alles anonym
Damit eventuelle Entführer es schwer haben werden, gibt es keine Hinweise oder Dokumente mit dem Namen der Baufirma oder der Identität oder der Nationalität der beiden Mitarbeiter. Konsequenterweise machen sie sich erst gar nicht mit ihren Namen bekannt, sondern nennen sich einfach „Vier“ und „Neun“. Während Vier die Maschine bewegt, soll Neun sich darum kümmern, dass sich keine Hindernisse auf der Trasse befinden. Gegensätzlicher als diese beiden, können zwei Männer kaum sein. Vier ist ein erfahrener und äußerst zuverlässiger Angestellter. Neun ist noch recht neu dabei und schert sich kaum um Regelungen und Vorschriften.
Dieser Mann war ein Strudel – alle Vernunft wurde von ihm in die Tiefe gerissen und verschlungen. (S. 79)
Während Vier sich strikt an die Anweisungen hält und sich nicht um Land und Leute kümmert, nimmt Neun sehr stark an dem Schicksal der Bewohner teil. Es ist stark, wie Dave Eggers die beiden Charaktere ausarbeitet. Es ist nicht einfach zu entscheiden, wer von den beiden es in dieser unsicheren und nicht ungefährlichen Situation richtig macht. Eggers spielt verschiedenste menschliche Eigenschaften gekonnt gegeneinander aus. Worauf kommt es letztendlich wirklich an?

“Die Parade” von Dave Eggers
Die Bewohner des Südens warten schon sehnsüchtig darauf, die neue Straße benutzen zu können, da sie ihnen den Handel vereinfachen und ihnen Zugang zu guter medizinischer Versorgung im Norden bringen soll. Für die Mächtigen hat sie einen hohen ideellen Wert. Es ist ein Prestigeprojekt, ein Symbol für den Frieden. Aber haben die Regierenden tatsächlich das Wohl ihres Volkes im Auge oder ist das doch wieder einmal nur ein Spielball für ihre Interessen?
»Die Straße ist ein Highway des Lebens, siehst du das nicht? Wie ein mächtiger Baum. Und diese ganzen Häuser und Geschäfte, die an ihr aufmachen, die sind wie Wurzeln, die sich von dem Baum ausbreiten, tief eingraben, Lebenskraft aus dem Baum beziehen, Möglichkeiten schaffen und damit auch Stabilität.« (S. 40)
Mein Fazit
Treffer, versenkt: Mit seiner Parabel spiegelt Dave Eggers nicht nur die Gegensätzlichkeit menschlicher Eigenschaften wider, er entlarvt auch punktgenau das Streben der Mächtigen. „Die Parade“ ist ein Pageturner mit Knalleffekt.
© Rezension: 2020, Marcus Kufner
Weitere Stimmen zum Buch:

Roman
Kiepenheuer & Witsch | ISBN: 978-3-462-05357-9
8.04.2020
Gebunden
192
www.kiwi-verlag.de
3 comments
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Auf “Die Parade” bin ich schon sehr gespannt, da mich “The Circle” von Eggers sehr ansprach. Deine Rezension klingt nach einem äußerst gelungenen Werk.
Auf jeden Fall gelungen! Dann hoffe ich, dass dich „Die Parade“ genauso fesseln wird wie mich.
Viele Grüße,
Marcus.