Malu Halasa | Mutter aller Schweine

by Marcus Kufner
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“Mutter aller Schweine” von Malu Halasa

Der christliche jordanische Armeeoffizier Hussein Sabas versucht nach der Pensionierung sein Glück als einziger Schweineschlachter der Levante und verkauft alle Arten von Koteletts, Würsten und Schinken – sehr zum Leidwesen seiner rechtgläubigen muslimischen Nachbarn. Hussein lebt in einem von Frauen dominierten Haushalt in einer kleinen jordanischen Grenzstadt: Da ist seine Schwiegermutter Fadhma, die über die Familie und ihre Geheimnisse wacht; seine Frau Laila, die auf ihre Träume verzichtete und sich bemüht, nicht in Bitterkeit zu versinken; seine junge Schwester Samira, die sich insgeheim einer Gruppe syrischer Aktivistinnen anschließt; seine Nichte Muna, die zum ersten Mal aus den USA zu Besuch ist und sich schnell mit Samira anfreundet. [© Text und Cover: Elster & Salis]

 

Jordanien: ein Land im Nahen Osten, mittendrin in einer unruhigen Region. Zwischen Israel, Irak, Syrien und Saudi-Arabien gelegen, wirken sich viele Konflikte direkt auf die Einwohner hier aus. Das ist der spannende Schauplatz für Malu Halasas Roman, zu erzählen gibt es aus diesem Schmelztiegel aus Kulturen und Religionen jedenfalls viel.

Es ist nicht einfach, dem kargen Land so viel abzugewinnen, dass man davon seine Familie ernähren kann. Kinder gelten noch als Zukunftssicherung, Hussein muss tatsächlich dreizehn von ihnen versorgen. Kein Wunder, dass er den Vorschlag seines geschäftstüchtigen Onkels annimmt, eine Schweinezucht hochzuziehen. Hmm… Schweine – in einem islamischen Staat? Hussein und seine Familie sind Christen. Die kleine Stadt, in der sie wohnen, ist hauptsächlich christlich geprägt, es gibt also auch Abnehmer für das Fleisch. Islamische Nachbarn sehen das jedoch nicht gerne, und mit der zunehmenden Islamisierung in der Region wächst auch der Widerstand gegen Husseins Betrieb. Da wird es schwierig, sein Einkommen und seine Familie zu schützen.

 

“Mutter aller Schweine” von Malu Halasa

 

Eine unmögliche Situation

Als Autorin mehrerer Sachbücher über den Nahen Osten kennt sich Malu Halasa sehr gut dort aus. Das merkt man in den Diskussionen über die quasi unmögliche politische Situation, die sie ihre Protagonisten führen lässt.

»Dieser Arabische Frühling ist eine einzige Talfahrt in den Irrsinn. Wir hätten die Diktatoren behalten sollen.« (S. 194)

Zusätzlichen Zündstoff bringt der Besuch einer Nichte aus den USA. Es ist zwar ein erfreuliches Ereignis für die Familie, eine ihrer Verwandten von der anderen Seite des Planeten bei sich zu haben, die festgefahrenen politischen Positionen zwischen den Vereinigten Staaten und den islamischen Ländern sind aber auch hier spürbar. Eine Annäherung ist im Buch leider auch nicht zu erkennen.

»Wir leiden wohl am selben Problem«, sagt Muna trocken. »Du kennst mein Land nicht und ich deins auch nicht gut genug.« (S. 320)

Die Rolle der Frau

Ein besonderes Augenmerk legt Malu Halasa auf die Stellung der Frau im arabischen Raum. Da werden immer noch viele Ehen arrangiert, der Platz der Gattin ist sehr eng definiert. Obwohl sie die Gesellschaft tragen und die Familie zusammenhalten, haben sie kein Mitbestimmungsrecht. Vor allem auf dem Land ist es schwer, sich davon zu befreien, denn es ist nicht nur die Vorgabe der Religionsführer, es sind auch die Nachbarn, die die Einhaltung der Traditionen überwachen. Eine Auflehnung bringt Schande über die ganze Familie und wird mit Ausgrenzung geahndet. Kein Wunder, dass sich viele Frauen in diesem begrenzten Raum einrichten.

Das Glück einer Frau wird davon bestimmt, wie diszipliniert sie die eigene Meinung unterdrückt. (S. 306)

Die Muttersau von Husseins Zucht taucht nicht nur im Titel auf, die Schweine haben auch eine symbolische Bedeutung im Buch. Während die Menschen planlos durch ihr Chaos manövrieren, scheinen die schlauen Tiere eher den Durchblick zu haben. Das zeigt sich in den genialen Abschnitten, wenn die Autorin aus der Perspektive der Sau erzählt. Leider gibt es davon nur zwei kürzere Abschnitte im Buch, davon hätte ich gerne mehr gelesen.

Malu Halasa entwirft ein sehr genaues Bild von der derzeitigen schwierigen politischen und gesellschaftlichen Lage im Nahen Osten. Dramaturgisch hatte ich mir von diesem Roman allerdings etwas mehr versprochen. Aus der Konfliktsituation zwischen Tradition und Moderne, zwischen Freiheitsdrang und islamistischen Eingrenzungen hatte ich schärfer gezeichnete Konturen erwartet. Die Diskussionen zwischen den Protagonisten sind zwar inhaltlich durchaus stimmig und subtil, sind aber auch für einige Längen verantwortlich. Etwas mehr Handlung hätte für mehr Kurzweil gesorgt. Dass sie es kann, zeigt Malu Halasa am Schluss, der mich durchaus versöhnlich mit ihrem Buch macht. Die präzise beobachteten Einblicke in die Region sind es jedenfalls wert, den Roman zu lesen, mit etwas mehr Dramatik hätte es ein ganz starker werden können.

© Rezension: 2020, Marcus Kufner

 

Weitere Stimmen zum Buch:

 

Mutter aller Schweine Book Cover Mutter aller Schweine
Malu Halasa | Aus dem Englischen von Sabine Wolf
Roman
Elster & Salis | ISBN: 978-3-906903-14-9
10.03.2020
Gebunden
348
www.elstersalis.com
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