Sayaka Murata | Das Seidenraupenzimmer

by Alexandra Stiller
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Sayaka Murata | Das Seidenraupenzimmer - Rezension buecherkaffee.de, Alexandra Stiller

Sayaka Murata | Das Seidenraupenzimmer || Der neue Roman von Japans Erfolgsautorin Sayaka Murata erzählt die Geschichte von Natsuki und ihrem Cousin Yu, die sich jung verlieben und gemeinsam gegen eine Welt verbünden, die ihnen beileibe nicht nur Gutes will. Im alten Farmhaus der Familie, in dem früher die Seidenraupen ihren Dienst verrichteten, sind sie glücklich, denn sie sind beieinander. 20 Jahre später geht Natsuki an diesen Ort zurück … Die Magie dieses abgründigen Romans spinnt uns ein in einen irisierenden Kokon der Fremdheit und entlässt uns schließlich in eine Realität, in der alles möglich ist. (Text + Cover: © Aufbau Verlag)

 

Mit Die Ladenhüterin gelang der japanischen Autorin Sayaka Murata der internationale Durchbruch. Ich feierte diese Geschichte damals sehr und war nun unglaublich gespannt auf den Roman Das Seidenraupenzimmer, der in deutscher Übersetzung von Ursula Gräfe erschienen ist.

Während ich mit geschlossenen Augen durch den Weltraum schwebte, war mir, als würde sich tatsächlich ein Raumschiff vom Planeten Pohapipinpopopia nähern. Liebe und Magie umgaben mich. Dort war ich in Sicherheit, und niemand konnte unser Glück zerstören.

Muratas Art zu schreiben ist so unglaublich gut – aber gleichzeitig auch gewöhnungsbedürftig, denn ihre Texte sind radikal und provozierend. Aber wenn man sich darauf einlassen kann/möchte, erwartet einen auch hier wieder ein besonderes, magisches und vor allem lange nachwirkendes Lese-Erlebnis. Denn so viel ist klar: Das Seidenraupenzimmer lässt einen so schnell nicht wieder los. Dass sie in ihrer Geschichte auch Inzest, Missbrauch, Mord und Kannibalismus thematisiert, lässt sich nicht aus dem Klappentext erschließen, das möchte ich an der Stelle gleich erwähnen.

Hauptsache funktionieren

Sayaka Murata thematisiert wieder die Schattenseiten Japans mit seiner leistungsorientierten Gesellschaft und dem globalen Kapitalismus– doch diesmal noch expliziter und drastischer. Die Schülerin Natsuki verliebt sich in ihren Cousin Yu, den sie nur einmal im Jahr sehen kann, wenn die Familie zum Ahnenfest O-Bon zusammen kommt. Dann reisen sie von der engen Stadt in die Berge um Nagano zum Haus ihrer Großeltern.

Natsuki findet keinerlei Anerkennung in ihrer Familie. Ihre Mutter und ihre Schwester hassen sie und sie wird erniedrigt und gedemütigt. Auch die Schule ist keine Flucht für sie, denn dort wurde sie Opfer sexuellen Missbrauchs, was sie aber niemandem erzählen kann. Sie flieht gedanklich in eine andere Welt, dort macht ein Schutzzauber sie zu einem „Magical Girl“. Auch ihr Cousin Yu hat es nicht leicht. Er sieht sich selbst als einen Außerirdischen an und wartet darauf, zu seinem Heimatplaneten reisen zu können. Die beiden nähern sich und stützen sich und geben sich ein Versprechen:

“Wir müssen überleben, egal, was passiert.”

Sie suchen einen Ausweg aus der Gesellschaft, in der Regeln über Bedürfnisse stehen und Jahre später bietet sich die Gelegenheit: sie werden zu Aussteigern (Pohapipinpopopianer), nisten sich ein wie Seidenraupen und driften immer mehr in eine andere Welt. Sie leben wie in einer Art Paralleluniversum, in dem ihre Regeln gelten. Hier muss man nicht funktionieren und ein nützliches Glied in der Kette sein. Sie lösen sich von allem los. Brutal, surreal, verstörend, treibt Murata die Ereignisse auf die Spitze. Und doch ist es genau dieser radikale Ton, der unter die Haut geht und mich nicht mehr loslässt.

Murata zeigt auf, wie entsetzlich verloren man sich fühlen kann inmitten vieler Menschen, inmitten einer Gesellschaft, die schlichtweg zu funktioieren hat, ohne jegliche Abweichungen von der vorgegebenen Norm.

@ 2020, Alexandra Stiller
Blogtransparenz: unbezahlte Werbung, Presseexemplar

 

 

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Bibliografie
Das Seidenraupenzimmer Book Cover Das Seidenraupenzimmer
Sayaka Murata | aus dem Japanischen übersetzt von Ursula Gräfe
Roman
Aufbau Verlag | ISBN. 978-3-351-03793-2
Gebunden mit Schutzumschlag
256 Seiten
www.aufbau-verlag.de
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Rezension // Highlight-Alarm! Sayaka Murata: Das Seidenraupenzimmer – KIMONO Blog 23. September 2020 - 19:17

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