Cho Nam-Joo | Kim Jiyoung, geboren 1982

by Alexandra Stiller
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Cover: Cho Nam-Joo | Kim Jiyoung, geboren1982

Cho Nam-Joo | Kim Jiyoung, geboren1982 || In einer kleinen Wohnung am Rande der Metropole Seoul lebt Kim Jiyoung. Die Mitdreißigerin hat erst kürzlich ihren Job aufgegeben, um sich um ihr Baby zu kümmern – wie es von koreanischen Frauen erwartet wird. Doch schon bald zeigt sie seltsame Symptome: Jiyoungs Persönlichkeit scheint sich aufzuspalten, denn die schlüpft in die Rollen ihr bekannter Frauen. Als die Psychose sich verschlimmert, schickt sie ihr unglücklicher Ehemann zu einem Psychiater. Nüchtern erzählt eben dieser Psychiater Jiyoungs Leben nach, ein Leben bestimmt von Frustration und Unterwerfung. Ihr Verhalten wird stets von den männlichen Figuren um sie herum überwacht – von Grundschullehrern, die strenge Uniformen für Mädchen durchsetzen; von Arbeitskollegen, die eine versteckte Kamera in der Damentoilette installieren und die Fotos ins Internet stellen. In den Augen ihres Vaters ist es Jiyoung’s Schuld, dass Männer sie spät in der Nacht belästigen; in den Augen ihres Mannes ist es Jiyoung’s Pflicht, ihre Karriere aufzugeben, um sich um ihn und ihr Kind zu kümmern. (Ausug aus dem klappentext © KiWi Verlag)

Feminismus aus Südkorea

Dieses Buch ist Euch in der letzten Zeit sicher schon des Öfteren über den Weg gelaufen. Und das ist auch gut so, denn es ist so ein wichtiges Buch. Die Roman- und Drehbuchautorin Cho Nam-Joo schreibt über Alltagssexismus und tief eingegrabener Diskriminierung von Frauen in Südkorea. Weit entfernt und doch so nah, denn ihre autobiografische Geschichte ist universell: ihre Protagonistin Kim Jiyoung spiegelt das Leben einer Frau in einer patriarchalen Gesellschaft wider.

“Kim Jiyoung, geboren1982” wurde direkt zum Verkaufserfolg in Korea.  Es folgten viele Übersetzungen und im Jahr 2018 wurde das Buch von der Regisseurin Kim Do-young mit Jung Yu-mi und Gong Yoo in den Hauptrollen verfilmt.
Ins Deutsche wurde der feministische Roman nun von Ki-Hyang Lee übersetzt. Ein Buch, das für großen Wirbel sorgte und in ihrem Heimatland eine Gleichstellungsdebatte angestoßen und eine Frauenbewegung ausgelöst hatte . Zu Recht, denn dieses Buch ist eine Wucht, dass auf leisen Sohlen daher kommt und sich dann aber tief ins Bewusstsein eingräbt. In einem schon fast emotionslosen, nüchtern-sachlichen Ton beschreibt die Cho Nam-Joo das Leben ihrer Protagonistin. Diese gewählte Sprache bildet auch hervorragend Jiyoungs eigenes Innenleben ab. Die an einigen Stellen eingebrachten Fußnoten mit Artikeln und Statistiken belegen die Missstände und leiten auch gut dazu an, sich weitergehender mit der wichtigen Thematik auseinanderzusetzen.

Frauen werden wissend nicken

Geboren wurde Jiyoung als zweites Kind (und zweites Mädchen!) eines Beamten und einer Hausfrau, sie geht zur Schule und studiert anschließend. Nach kurzer Zeit im Beruf heiratet sie, bekommt selbst ein Kind und wird zur Hausfrau. Ein gewöhnlicher Lebensentwurf für eine Frau, sagt die Gesellschaft. Wie es aber der Frau dabei ergeht, das ist der Gesellschaft nicht wichtig. Was für Kämpfe sie ausfechten, was für Ängste sie ausstehen muss. Wie viel Gewalt, Sexismus und Übergriffigkeit sie ertragen, wie viel Ungerechtigkeiten sowie strukturellen Benachteiligungen sie herunterschlucken muss. Ihr ergeht es wie Millionen (südkoreanischer) Frauen, auf deren Schultern die Last einer kapitalistischen Leistungsgesellschaft drückt. Viel Leistung für wenig Entlohnung. Ideen bringen, für die andere geehrt werden. Bei Beförderungen übergangen werden, weil man ja schwanger werden könnte. Frauen werden wissend nicken.

„Hatte eine Frau Schwächen, kam sie deshalb nicht infrage. War sie brilliant, galt sie als Unruhestifterin. Und was sagte man ihr, wenn sie mittelmäßig war? Tut uns leid, sie sind zu durchschnittlich ?“ (Seite 111)

Doch dann verweigert Jiyoung sich dem System von einem auf den anderen Tag…

Fazit:

Eine sehr sachliche, zutiefst erschütternde und messerscharfe Geschichte ist das. Eine Geschichte, die eigentlich keine Fiktion ist, da sie das durchschnittliche Leben von Frauen genau auf den Punkt bringt. Eine Geschichte, die (hoffentlich!) augenöffnend und sensibilisierend wirkt. Eine ganz klare und eindringliche Leseempfehlung.

@ 2021, Alexandra Stiller
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The movie trailer with English subtitles for “Kim Ji-Young, Born 1982” 82년생 김지영 (2019)
@EonTalk >> Link Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=uUqsGBspxU4

 

Kim Jiyoung, geboren1982
Cho Nam-Joo | Übersetzt von Ki-Hyang Le
Kiepenheuer & Witsch Verlag | ISBN: 978-3-462-05328-9
11.02.2021
HC mit Schutzumschlag
208 Seiten
www.kiwi-verlag.de
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{Rezension} Kim Jiyoung, geboren 1982 von Nam-Joo Cho ♣ Bella's Wonderworld 13. April 2021 - 17:34

[…] Eine sehr sachliche, zutiefst erschütternde und messerscharfe Geschichte ist das. Bücherkaffee […]

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