Maria Konstanze Schlager, genannt “Mördermitzi” stolpert in ihren dritten Fall.
Nachdem ein ehemaliger Straftäter, mit dem sie sich angefreundet hat, eines unnatürlichen Todes stirbt, wird Mitzi zur Einvernahme einbestellt. Die Polizeit hat auf der Mordwaffe, einem Stein, ihre Spuren gefunden.
Die ganze Geschichte hätte vielleicht eine andere Wendung genommen. Aber nicht nur die Seele ist ein weites Land, wie Arthur Schnitzler geschrieben hat, sondern auch die Weiten des Konjunktivs sind unendlich in ihren Möglichkeiten. (S. 95)
Das Covermotiv – drei Pinzgauer-Rinder vor gebirgiger Kulisse – und das Etikett “Alpenkrimi” lassen vermuten, dass die Handlung in einer Gegend im vierstelligen Höhenmeterbereich ohne Mobilfunkempfang angesiedelt ist. Regionalkrimis zeichnen sich durch ausgiebige Erkundungen der topographischen und seelischen Landschaften aus. In der lesenden Wanderung durch das Buch tritt man jedoch auf weniger Wurzeln, Felsen und geruchsintensive Indizien für die Anwesenheit von Weidevieh als das Titelbild erwarten lässt. Die Mordermittlungen finden weitgehend in Wien und Salzburg statt, bevor das Finale an den malerischen Schafberg führt. Was für die Einordnung in das regionale (nicht unbedingt alpine) Genre spricht, ist der ausgiebige Gebrauch umgangssprachlicher Begriffe, die in einem Glossar erklärt werden.
Mitzi trägt ihr Herz auf der Zunge
All jene, die mit der Titelfigur noch keine Bekanntschaft geschlossen haben, werden beim Namen Mitzi vielleicht die Besitzerin der abgebildeten Kühe mit zerfurchtem Gesicht und schwieligen Händen vor sich sehen. Gerade im ländlichen österreichischen Raum ist die Koseform “Mitzi” für Maria weit verbreitet, wird aber üblicherweise mit der traditionsbewussten Tante assoziiert. Die Mördermitzi ist alles andere als eine in der Zeigefingerpädadogik geübte, selten willkommene Verwandte. Vielmehr ist Mitzi Schlager eine quirlige Mittdreißigerin, die ihr Herz auf der Zunge trägt. Sie lebt in Salzburg und arbeitet als Korrekturleserin für verschiedene Verlage. Ihren Rufnamen verdankt sie einem Unfall aus Kindertagen, bei dem ihre Familie ums Leben gekommen ist und der ihr lebenslange Schuldgefühle aufgebürdet hat. Außerdem hat sie ein Talent, in unnatürliche Todesfälle zu geraten. In ihrem dritten Roman hat sie es sogar zu einer Nennung im Titel gebracht.
Ihre Freundin Agnes Kirschnagel arbeitet bei der Tiroler Polizei und pflegt eine Fernbeziehung mit ihrem Kölner Freund Axel. Obwohl sie jünger ist als Mitzi, schlüpft sie als rationaler Gegenpol immer wieder in die mütterliche Rolle. Diesmal ist sie Mitglied einer bundesländerübergreifenden Ermittlungsgruppe und darf daher mit der als Verdächtige geltenden Mitzi offiziell keinen Kontakt pflegen.
Originelle Figuren mit vielsagenden Namen sind das Markenzeichen von Isabella Archan.
Nicht selten sind sie so überzeichnet, dass sie ihre eigenen Karikaturen sein könnten und an sorgfältig gefertigte Puppen eines Marionettenspielers erinnern. Der Name Jakob Sparroder ist eine Hommage an den von Johnny Depp gespielten Piratenkapitän Jack Sparrow aus den “Fluch der Karibik”-Filmen. “Magister Sparroder”, wie Mitzi ihn stets respektvoll nennt, ist ihr Pflichtverteidiger. Er ist jedoch kein verwegener Haudegen, sondern wirkt wie ein aus der Zeit gefallener bieder Advokat, der mit der Filmfigur lediglich den Hang zu Hochprozentigem teilt. Seinem Namen viel eher gerecht wird der grobschlächtige Kleinkriminelle Ludwig Gstätten. (Als “G’stätt’n” wird umgangssprachlich ein verwahrloster Ort bezeichnet.)
Der Mann auf dem Polizeifoto sah ziemlich verlebt aus, als hätte er viele Male einen über den Durst getrunken. Seine Haut zeigte große Poren und rote Flecken. Sein braunes Haar war von grauen Strähnen durchzogen. Dreitagebart. Der Körperbau kräftig, aber gedrungen, mit einem Bauchansatz. (S. 128)
Beim Lesen könnte vor dem geistigen Auge einer der Panzerknacker mit von Erika Fuchs getexteten Sprechblasen auftauchen. Auch Bri und Eddi, genannt “die Ladys”, würden wohl in Entenhausen nicht weiter auffallen. Eigentlich heißen sie Brigitte Hollerer und Edith Bruckner. Die beiden verstehen sich als Kunstsammlerinnen und träumen von Wohlstand und Statusgewinn durch schnell und nicht notwendigerweise legal erworbenem Reichtum. Sie üben sich bereits in der Etikette einer höheren gesellschaftlichen Ebene, wirken dabei aber schrill, versnobbt und ungelenk.
‘Für mich Süßstoff, liebe Eddi, du weißt’, flötete Bri und deutete einen Bauch an, den es bei ihr nicht gab. Ihre lila Locke zitterte, als würde sie beim Gedanken an Süßes einen Nervenzusammenbruch bekommen. (S. 120)
Erneut sucht Isabella Archan mit ihrem Roman die Nähe zum Film.
Sorgfältig dosiert, nutzt sie Stilmittel aus diesem Medium, um einzelne Bedeutungsnuancen zu setzen Am Beginn jedes der vier Abschnitte findet sich eine kurze kursiv gesetzte Szene im Präsens erzählt, wie von einer Kamera eingefangen. Dabei handelt es sich um Kindheitserinnerungen der Hauptfigur, die so traumatisierend sind, dass sie nicht durchlebt, sondern nur distanziert betrachtet werden können. In einigen wenigen Szenen wechselt die Autorin vom Präteritum ins Präsens. Diese Momente sind für Mitzi besonders emotional aufgeladen.
Das Präsens zieht beim Lesen tiefer in die Handlung, erzwingt eine stärkere Identifikation mit der Figur, schärft die wahrgenommenen Konturen. Die zahlreichen umgangssprachlichen Ausdrücke und Wendungen verorten den Roman nicht nur regional, sondern lassen die Dialoge auch frischer wirken. Auch das Verhältnis von Mitzi und Agnes zueinander entspricht der Konstellation eines Buddy-Movies.
In diesem Filmgenre müssen zwei gegensätzliche Charaktere eine Herausforderung wie etwa einen Kriminalfall lösen und überwinden im Verlauf ihre anfänglichen Konflikte. Die spontane Mitzi und die geerdete Agnes haben ihre Freundschaft bereits im ersten Teil der Reihe besiegelt, mittlerweile funktionieren sie als originelles Tandem. Diesmal müssen sie getrennt voneinander agieren, da Agnes von Amts wegen befangen ist. Isabella Archan gelingt es, die Dynamik zwischen den beiden auch ohne räumliche Nähe zu vermitteln. Die beiden Perspektiven erweisen sich für die Erzählung sogar als vorteilhaft. Während Mitzi aktiv den Takt vorgibt, arbeitet Agnes ihrer Freundin hinterher und ergänzt aus der Sicht der Ermittler das Gesamtbild.
Trotz der Anleihen am Genre der Leinwandabenteuer wartet die Autorin mit einer regionalkrimitypischen Spezialität auf, die ein Film in den seltensten Fällen bietet: einem Rezept für Heidelbeerstrudel.
Persönliches Fazit
“Drei Morde für die Mördermitzi” von Isabella Archan ist eine kurzweilige Mördersuche quer durch die österreichischen Bundesländer mit herrlich skurrilen Charakteren.
@ Rezension, 2021, Wolfgang Brandner
Blogtransparenz: unbezahlte und unbeauftragte Werbung , Presseexemplar
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