Nichts in der Wildnis Zurückgelassenes konnte jemals wiedergeholt werden. Jedes Zusammentreffen war endgültig. Niemand kam von jenseits des Horizonts wieder. Jede Rückkehr, wohin oder zu wem auch immer, war unmöglich. Was außer Sicht geriet, war für immer verloren.
Hernan Diaz’ tiefpoetischer und eindrucksvoller Roman In der Ferne (erschienen bei Hanser Berlin) ist das schönste und zugleich traurigste und ergreifendste Buch, dass ich je über das Alleinsein und Einsamkeit gelesen habe. Ich habe mitgelitten, Seite für Seite, und ich wollte diesen seelisch geschundenen Menschen, dessen Lebensreise ich hier verfolgte, einfach nur fest umarmen.
Eine herausfordernde Lebensreise
Mitte des 19. Jahrhunderts, zur Zeit des Goldrauschs, begibt sich der junge Håkan Söderström aus Schweden mit seinem Bruder Linus auf die Reise in ein hoffentlich besseres Leben, denn die Familie ist bitterarm. Ihr Ziel: Amerika! Linus hat ihm Geschichten erzählt von dieser Stadt »Nujårk«, die Håkan sich kaum vorstellen kann. Doch die Reise verläuft anders als geplant und schon im Hafen von Portsmouth verliert er seinen Bruder aus den Augen. Statt in New York geht er in San Francisco an Land.
Als er diesen Fehler erkennt, ist er fest entschlossen, seinen Bruder zu finden – und wenn er zu Fuß quer durch den Kontinent laufen muss. Er ahnt nicht, dass diese Reise zu seiner Lebensaufgabe wird. Dieses gelobte Land wird für ihn zu einer Herausforderung, ein ständiger Kampf ums Überleben in sengender Hitze und eisiger Kälte, in staubtrockener Wüste mit unerreichbarem Horizont und wenig Aussicht auf Essen und Trinken.
Hernan Diaz schreibt tiefpoetisch über die Einsamkeit und über Heimat
Doch rein gar nichts in der Natur erscheint ihm so brutal, grausam, demütigend und verstörend wie die Begegnung mit anderen Menschen. Es sind nicht viele Begegnungen, aber fast alle hinterlassen tiefe Wunden, seelisch als auch körperlich. Besondere Menschen, die zu Freunden wurden, verliert er früh. Hawk wächst an all dem, im wahrsten Sinne des Wortes, denn er wird tatsächlich immer größer und kräftiger. Alle nennen ihn den Hawk und er wird zu einem Mythos, dessen Ruf ihm vorauseilt. Hawk zieht sich zurück und die Einsamkeit wird sein treuester Freund und Begleiter auf der Suche nach Heimat…
Er blieb stehen, weil es Zeit war. Er war nirgends angekommen. […] Stille und Einsamkeit hatten seine Zeitwahrnehmung vernebelt. In einem monotonen Leben sind ein Jahr und ein Augenblick gleichwertig.
Eine besondere, kraftvolle Geschichte eines Einzelgängers, eines Suchenden, die trotz all der Brutalität der Zeit unglaublich berührt und sich tief eingräbt. Eine absolute Leseempfehlung!
“In der Ferne” von Hernan Diaz, übersetzt von Hannes Meyer, war 2018 für den Pulitzer Prize und den PEN/Faulkner-Award nominiert.
@ 2021, Alexandra Stiller
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Roman
Hanser Berlin | ISBN 978-3-446-26781-7
15.03.2021
Fester Einband
304 Seiten
www.hanser-literaturverlage.de