Hanno Millesi | Der Charme der langen Wege

by Marlene Fuchs
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Hanno Millesi | Der Charme der langen Wege - Rezension buecherkaffee.de

Hanno Millesi | Der Charme der langen Wege || Was wie die Laserkanone am Raumschiff Außerirdischer klingt, ist in Wirklichkeit Glasreiniger, der auf eine erhitzte Herdplatte gesprüht wird. Wenn sie das Hauptsegel setzen, damit es sich prall im Wind bläht, hört man einen Regenschirm, der auf Knopfdruck von alleine aufgeht. Hanno Millesi erzählt die tragikomische Geschichte eines Geräuschemachers alter Schule und von einer Welt, in der kaum etwas so ist, wie es scheint. Wo es um die Glaubwürdigkeit der Bilder geht, die dem Publikum vorgesetzt werden. Wo die Wege mitunter lang sein können, jedoch im Studio zurückgelegt werden, so lange hinter den Kulissen verlaufen, bis sie eines Tages in die Flucht vor einer voranschreitenden Schwerhörigkeit münden. [Text + Cover: © Edition Atelier

Lamberts Karriere ist vorbei. Jahrzehntelang hat er erfolgreich Geräuschkulissen für den Film kreiert. Sein Talent liegt darin, die Realität durch künstliche Geräusche noch realer werden zu lassen. Neue Welten zu erschaffen, in die Zuschauerinnen und Zuschauer komplett eintauchen. Ein Maschinengewehr wird abgefeuert? Lambert, der in Künstlerkreisen Bert genannt wurde, nimmt Trauben und wirft sie an die Wand. Simpel, wirksam, eine kreative Idee. Von denen er in seinen Glanzzeiten Unmengen hat:

Ungeachtet der widrigsten Aufnahmebedingungen, die sich auf das Sprühverhalten und gleichzeitig auf sämtliche damit einhergehende Geräusche inklusive ihrer Assoziationsaura auswirkten, umfasste Berts Palette sowohl arktische Kälte – so klirrend, dass der Atem sämtlicher Laien vor ihrem geistigen Auge sichtbar wurde – als auch einen aufgrund von Überhitzung stöhnenden Druckkochtopf, einen Kometenschauer, ein leckes Schlauchboot    mitten auf dem Ozean, eine Giftschlange außerhalb ihres Terrariums sowie Explosionen, die  Bert Sprühdosen entlockte, indem er eine Mikrowelle, in die er sie zuvor gestellt hatte, auf vollen Touren laufen ließ.

 

Hanno Millesi | Der Charme der langen Wege - Rezension buecherkaffee.deEin Unfall wirft ihn aus der Bahn

Doch Lamberts Geräusche haben ausgedient. Niemand nennt ihn mehr Bert, er wohnt am Stadtrand und hat schon seit Jahren nicht mehr mit seinem engsten Mitarbeiter, einem Toningenieur, gesprochen.

Und dann wirft ihn ein Unfall vollends aus der Bahn. Er weiß, dass er als alter Mann nich mehr gut zu Fuß ist, dass sein Körper nicht mehr immer so mitmacht, wie er es will. Aber das schlimmste tritt nach einem eigentlich kleinen Missgeschick ein: Ein Golfball trifft ihn am Kopf und Lambert stürzt. Als er wieder zu sich kommt, scheint das Verfallprozess sich zu beschleunigen: Er verliert sein Gehör. Sein wichtigstes Instrument.

Ist die Welt ohne Geräusche überhaupt real?

Lambert rafft sich aber noch einmal auf, um einen langen Weg zu gehen: Er will seinen ehemaligen Kompagnon finden und begibt sich auf einen Weg vorbei an seinen alten Wirkungsstätten. Vorbei an seiner schillernden Vergangenheit – die voller Töne und Klänge und faszinierenden Welten war.

„Der Charme der langen Wege“ steht auf der Longlist für den Österreichischen Buchpreis 2021.

Persönliches Fazit

Lambert ist ein liebenswerter und sehr schrulliger Charakter. Es gibt Momente zum Schmunzeln, aber auch traurige Episoden zum Nachdenken. Das neueste Werk vom Wiener Schriftsteller Hanno Millesi ist dabei keine ganz leichte Lektüre. Die Sätze sind wundervoll künstlerisch, voller Wortspiele und Metaphern, Wendungen und Verschachtelungen. Wer einen außergewöhnlichen Job kennenlernen und dabei komplett in die Welt eines einzelnen Charakters eintauchen möchte, der wird die ganz eigene Dynamik des Buches lieben lernen.

Rezension: 2021 © Marlene Gempp

Blogtransparenz: unbezahlte Werbung, Presseexemplar

 

Der Charme der langen Wege Book Cover Der Charme der langen Wege
Hanno Millesi
Roman
Edition Atelier | ISBN: 978-3-99065-063-9
26.07.2021
Gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen
192 Seiten
www.editionatelier.at

1 comment

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wolfgang weiland 29. Oktober 2021 - 8:31

das ist ein Buch für mich, dankeschön…

lg wolfgang

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