Roman Klementovic | Wenn die Stille schreit

by Wolfgang Brandner
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Roman Klementovic | Wenn die Stille schreit || Während zwei entflohene Mörder die Gegend unsicher machen, fegt ein gewaltiger Schneesturm über das Land. Der Strom ist ausgefallen, viele Straßen sind nicht mehr passierbar. Tim erreicht erst kurz vor Mitternacht das abgelegene Landhaus, in dem er mit seiner Frau Natalie wohnt. Doch von dieser fehlt jede Spur. Dabei hat sie eben noch am Telefon beteuert, wach bleiben und auf ihn warten zu wollen. In völliger Dunkelheit begibt Tim sich auf die Suche nach ihr. Und macht bald eine verstörende Entdeckung … [Text & Cover: © Gmeiner]

Zugegeben, ein besonderer Blickfang ist er nicht, der neue Thriller von Roman Klementovic. Im unscheinbaren Postkartenformat, wie die Bändchen mit Essays und Sinnsprüchen, die im Kassenbereich der Buchhandlung zu finden sind, ist “Wenn die Stille schreit” eher eine Novelle als ein ausgewachsener Thriller. Um als solcher kategorisiert zu werden, muss die Geschichte über weite Strecken Spannung erzeugen. Das kann durch eine Bedrohung für die Hauptfiguren oder eine Situation, die unter Zeitdruck aufgelöst werden muss, erreicht werden, darf ruhig Action beinhalten und soll in einen plausiblen Abschluss münden. Überraschende Wendungen wissen, wenn stimmig erklärt, Leser:innen besonders zu schätzen. Der übliche Umfang von 300 – 400 Seiten gibt Autorinnen und Autoren ausreichend Zeit, die Figuren mit all ihren Eigenheiten und Bezeihungen zueinander vorzustellen und Zuneigung oder Abneigung zu diesen Figuren zu entwickeln. 

Der niederösterreichische Autor wagt nun das Experiment, seinen Thriller auf einen Bruchteil des gewohnten Umfangs zu komprimieren. Der Kürze geschuldet, bleibt die Anzahl der Figuren minimal, ihre jeweilige Vorgeschichte so knapp wie nötig. Zunächst entwirft er eine kompakte Ausgangssituation: Nach einem langen Arbeitstag kehrt Tim zu seiner schwangeren Frau Natalie nach Hause zurück. Doch niemand ist im Haus, durch einen Schneesturm ist der Strom ausgefallen. Und außerdem wurde in den Nachrichten von zwei aus dem Gefängnis entflohenen Mördern berichtet …

Kurz darauf wurde das Schneegestöber so dicht, dass ich nur noch eine flirrende weiße Wand im Lichtkegel der Nebelscheinwerfer ausmachen konnte und eine Pause einlegen musste. Allein für die letzten zehn Kilometer habe ich mehr als eine Stunde gebraucht.  (S. 18)

Klementovic setzt seinen Protagonisten den Elementen aus und erzeugt damit unmittelbar ein beklemmendes Gefühl der Abgeschiedenheit. Was immer noch auf Tim lauert, so schnell wird er keine Hilfe erwarten können. Es ist kalt, es ist dunkel, Tim ist allein. Alle zivilisatorischen Annehmlichkeiten, die Geborgenheit erzeugen, sind außer Kraft gesetzt. Der Autor erspart sich alle Umwege und steuert zielstrebig auf die tief unter der Haut sitzenden Urängste zu. Dort angekommen, lädt er zu einer ausgiebigen Sightseeing-Tour ein: In seinem menschenleeren Haus läast Tims Phantasie all seine Ängste um das junge Familienglück wahr werden. 

Die Handlung ist konsequent im Präsens mit Tim als Ich-Erzähler gehalten. Die Leser:innen teilen damit nicht nur seinen jeweiligen Wissensstand, sondern auch seine schlimmsten Befürchungen. Gefühlt lassen sich zwei Hauptteile unterscheiden. Im ersten ringt Tim alleine um die Kraft, die Situation zu bewältigen. Im zweiten kommen weitere Personen hinzu, die mit ihm interagieren. Die zuvor abstrakte Bedrohung wird greifbar. Die ersten gesprochenen Worte brechen die Spannung auf, verschärfen die Situation zugleich auf eine eine andere Art. Und sie vermitteln das Gefühl, das irgendetwas doch nicht so richtig zusammenpasst …

Persönliches Fazit

“Wenn die Stille Schreit” ist eine Thriller-Novelle für eine Mittagspause oder eine kurze Zugfahrt, knapp, beklemmend, spannend. 

© Rezension: 2021, Wolfgang Brandner

Blogtransparenz: unbezahlte Werbung, Presseexemplar

Wenn die Stille Schreit Book Cover Wenn die Stille Schreit
Roman Klementovic
Thriller
Gmeiner Verlag | ISBN: 978-3-8392-0092-6
2021
laminierter Pappband
123 Seiten
www.gmeiner-verlag.de

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