Jennifer B. Wind (Hrsg.) | Einmal kurz die Welt retten

by Wolfgang Brandner
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Jennifer B. Wind (Hrsg.) | Einmal kurz die Welt retten - buecherkaffee.de
Jennifer B. Wind (Hrsg.) | Einmal kurz die Welt retten || Die Welt steht vor dem Kollaps. Den führenden Wissenschaftlern zufolge werden im Jahr 2052 wichtige Ressourcen aufgebraucht und große Teile der Welt aufgrund des Klimawandels unbewohnbar sein. Milliarden Menschen drohen Obdachlosigkeit, Hunger und Armut. 24 dramatische, sarkastische, skurrile und tiefsinnige Kurzgeschichten deutschsprachiger Topautorinnen und -autoren widmen sich den drängendsten Themen unserer Zeit und regen zum Nachdenken an. Sie sind ein Appell an uns alle: Der Kampf um das Morgen muss heute beginnen! [Text & Cover: © Gmeiner Verlag]

24 Geschichten von Dieter Aurass, Raoul Biltgen, Katja Brandis, Veronika A. Grager, Anne Grießer, Petra K. Gungl, Reinhard Kleindl, Regine Kölpin, Beatrix Klamlovsky, Uwe Laub, Mari März, Günter Neuwirth, Regina Schleheck, Claudia Schmid, Ursula Schmid-Spreer, Ingrid Schmitz, Alex Thomas, Heidi Troi, Eva Maria Nielsen, Fenna Williams, Barbara Wimmer, Janet Zentel und Jennifer B. Wind. 

Was für ein Buch!
Einmal schockierend, einmal beruhigend, einmal mit Zuversicht erfüllend, dann wieder alle Hoffnungen zerstreuend …

“Einmal kurz die Welt retten” ist eine Abfolge von oft dystopischen Zukunftsszenarien. Sie sind allesamt um das Jahr 2052 angesiedelt, in dem laut den Prognosen des Club of Rome aus 1972 die Ressourcen unseres Planeten erschöpft sein werden. Die Anthologie umfasst 24 Kurzgeschichten, in denen der Wendepunkt hin zu einer weitaus weniger lebenswerten Welt bereits überschritten, die Katastrophe bereits eingetreten ist. Sie alle kombinieren Bedrohungen wie Klimawandel, Aufrüstung, Pandemien mit einer Krimihandlung. Der Krimi ist jeweils der Aufhänger für das übergeordnete Anliegen: gemeinsam die Welt zu retten.

Wir wissen ohnehin, wie wir unseren Beitrag leisten können: Plastik vermeiden, weniger mit dem Auto und mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, keine Lebensmittel verschwenden, weniger Fleisch essen, Kaputtes reparieren, anstatt wegzuwerfen … um nur einige der kleinen Schritte zu nennen. Vieles wissen wir bereits, einiges davon setzen wir selbst auch um. Manchmal steht uns die eigene Bequemlichkeit im Weg, manchmal beruhigt der Verweis auf Konzerne und andere Nationen das Gewissen. Vielleicht haben wir die Aufforderungen schon zu oft, vielleicht nicht oft genug gehört. Das vorliegende Buch wählt einen anderen Ansatz: Es empfiehlt nicht, wie wir uns verhalten sollen, sondern zeigt uns, was passiert, wenn wir die Hände in den Schoß legen.

In dichter Abfolge lesen wir von Städten, die sich durch das Schmelzen der Polkappen plötzlich auf dem Meeresgrund finden und der Trinkwasserversorgung, die ehrgeizigen Politikern als Verhandlungsmasse dient. In einer Hommage an den Film “Soylent Green” (deutscher Titel: “2022 – die überleben wollen”) sinniert einer der Autoren über die Nahrungsversorgung der Zukunft, während in der nächsten Geschichte Menschen ab 65 keinen Anspruch mehr auf medizinische Versorgung haben.

Die Covid-Pandemie unserer Tage ist nur die erste von zahlreichen Konfrontation der Menschheit mit neuen Krankheiten. Manche von ihnen werden durch Erreger ausgelöst, die erst durch den Klimakollaps freigesetzt werden. Was passiert mit uns, wenn wir durch eine Folge an Katastrophen in die Isolation getrieben werden? Wenn als Gesprächspartner nur das Smart Home bleibt, wenn wir von nahezu allwissender Technologie umgeben sind und der freie Wille nur mehr eine fragile Illusion ist? Die Weltbevölkerung wächst unaufhörlich, und nicht alle finden einen sinnstiftenden Platz in der Gesellschaft. Was ist mit jenen, die auf der Strecke bleiben, keine Arbeit, keine Wohnung, keine Perspektive haben?

Die Anthologie  ist in thematische Blöcke mit Titeln wie “Das kostbare Nass”, “Zwischen Frieden und Krieg” oder “Gefährliche Cyberwelt” tragen, denen jeweils zwei Geschichten zugeordnet sind. Damit werden die unterschiedlichen Wege in den Abgrund kartographiert, die Auswirkungen des Klimakollaps aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Sie lediglich als Erhöhung der durchschnittlichen Temperatur zu begreifen, ist viel zu kurz gedacht. Das steigende Fieber unseres Planeten manifestiert sich in zahlreichen Tragödien, extremen Ereignissen und nie gekannten Gefahrenquellen. “Einmal kurz die Welt retten” verschafft beim Lesen eine erste Ahnung der unterschiedlichen Symptome. Die einzelnen Szenarien sind kreativ und mit viel Liebe zum Detail ausgestaltet. Im Anschluss an jede Geschichte schildert jede Autorin und jeder Autor in einigen Worten den persönlichen Bezug zum gewählten Gegenstand – und schlägt damit eine Brücke in unsere Gegenwart.

Herausgeberin Jennifer B. Wind setzt sich bereits seit ihrer Kindheit für den Tier- und Umweltschutz ein, wie sie im Vorwort bekennt. Die vorliegende Anthologie ist ihr ein Herzensanliegen. Der Enthusiasmus, mit dem sie sich dem Buch gewidmet hat, wurzelt in der tiefen Überzeugung, dass es noch nicht zu spät ist, unseren Lebensraum zu retten. Das letzte Stück mit dem Titel “Green Reset” stammt auch aus ihrer Feder. Damit setzt sie den vorangegangenen Dystopien eine visionäre Utopie entgegen, in der Kriege und Katastrophen der Vergangenheit angehören und der Mensch im Einklang mit der Natur lebt.

Persönliches Fazit

Den begrenzten Raum zu nutzen, um die dargestellte Welt so lebendig und authentisch wie möglich zu gestalten, darin besteht die Kunst der Kurzgeschichte. Die von der Herausgeberin eingeladenen Autor*innen beweisen in ihren Zukunftsszenarien, dass sie diese Kunst beherrschen. “Einmal kurz die Welt retten” ist kein durchgehender Roman, mit dessen Welt man sich nach anfänglichem Schrecken abfinden könnte. Alle paar Seiten durchkreuzt ein neues Zukunftsszenario den Gewöhnungseffekt. Das Buch stimmt nachdenklich, erfüllt aber auch mit Zuversicht: Wir sind nicht ohnmächtig, jede bewusst gesetzte Handlung im Alltag rettet die Welt ein kleines Stück.

© Rezension: 2022, Wolfgang Brandner

Blogtransparenz: unbezahlte Werbung; kostenloses Rezensionsexemplar vom Verlag – vielen Dank an den Gmeiner Verlag.

Einmal kurz die Welt retten Book Cover Einmal kurz die Welt retten
Jennifer B. Wind (Hg.) |
Krimi Anthologie
Gmeiner Verlag | ISBN 978-3-8392-0128-2
2022
Paperback
416 Seiten
gmeiner-verlag.de
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