Was für ein Buch!
Einmal schockierend, einmal beruhigend, einmal mit Zuversicht erfüllend, dann wieder alle Hoffnungen zerstreuend …
“Einmal kurz die Welt retten” ist eine Abfolge von oft dystopischen Zukunftsszenarien. Sie sind allesamt um das Jahr 2052 angesiedelt, in dem laut den Prognosen des Club of Rome aus 1972 die Ressourcen unseres Planeten erschöpft sein werden. Die Anthologie umfasst 24 Kurzgeschichten, in denen der Wendepunkt hin zu einer weitaus weniger lebenswerten Welt bereits überschritten, die Katastrophe bereits eingetreten ist. Sie alle kombinieren Bedrohungen wie Klimawandel, Aufrüstung, Pandemien mit einer Krimihandlung. Der Krimi ist jeweils der Aufhänger für das übergeordnete Anliegen: gemeinsam die Welt zu retten.
Wir wissen ohnehin, wie wir unseren Beitrag leisten können: Plastik vermeiden, weniger mit dem Auto und mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, keine Lebensmittel verschwenden, weniger Fleisch essen, Kaputtes reparieren, anstatt wegzuwerfen … um nur einige der kleinen Schritte zu nennen. Vieles wissen wir bereits, einiges davon setzen wir selbst auch um. Manchmal steht uns die eigene Bequemlichkeit im Weg, manchmal beruhigt der Verweis auf Konzerne und andere Nationen das Gewissen. Vielleicht haben wir die Aufforderungen schon zu oft, vielleicht nicht oft genug gehört. Das vorliegende Buch wählt einen anderen Ansatz: Es empfiehlt nicht, wie wir uns verhalten sollen, sondern zeigt uns, was passiert, wenn wir die Hände in den Schoß legen.
In dichter Abfolge lesen wir von Städten, die sich durch das Schmelzen der Polkappen plötzlich auf dem Meeresgrund finden und der Trinkwasserversorgung, die ehrgeizigen Politikern als Verhandlungsmasse dient. In einer Hommage an den Film “Soylent Green” (deutscher Titel: “2022 – die überleben wollen”) sinniert einer der Autoren über die Nahrungsversorgung der Zukunft, während in der nächsten Geschichte Menschen ab 65 keinen Anspruch mehr auf medizinische Versorgung haben.
Die Anthologie ist in thematische Blöcke mit Titeln wie “Das kostbare Nass”, “Zwischen Frieden und Krieg” oder “Gefährliche Cyberwelt” tragen, denen jeweils zwei Geschichten zugeordnet sind. Damit werden die unterschiedlichen Wege in den Abgrund kartographiert, die Auswirkungen des Klimakollaps aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Sie lediglich als Erhöhung der durchschnittlichen Temperatur zu begreifen, ist viel zu kurz gedacht. Das steigende Fieber unseres Planeten manifestiert sich in zahlreichen Tragödien, extremen Ereignissen und nie gekannten Gefahrenquellen. “Einmal kurz die Welt retten” verschafft beim Lesen eine erste Ahnung der unterschiedlichen Symptome. Die einzelnen Szenarien sind kreativ und mit viel Liebe zum Detail ausgestaltet. Im Anschluss an jede Geschichte schildert jede Autorin und jeder Autor in einigen Worten den persönlichen Bezug zum gewählten Gegenstand – und schlägt damit eine Brücke in unsere Gegenwart.
Herausgeberin Jennifer B. Wind setzt sich bereits seit ihrer Kindheit für den Tier- und Umweltschutz ein, wie sie im Vorwort bekennt. Die vorliegende Anthologie ist ihr ein Herzensanliegen. Der Enthusiasmus, mit dem sie sich dem Buch gewidmet hat, wurzelt in der tiefen Überzeugung, dass es noch nicht zu spät ist, unseren Lebensraum zu retten. Das letzte Stück mit dem Titel “Green Reset” stammt auch aus ihrer Feder. Damit setzt sie den vorangegangenen Dystopien eine visionäre Utopie entgegen, in der Kriege und Katastrophen der Vergangenheit angehören und der Mensch im Einklang mit der Natur lebt.
Persönliches Fazit
© Rezension: 2022, Wolfgang Brandner
Blogtransparenz: unbezahlte Werbung; kostenloses Rezensionsexemplar vom Verlag – vielen Dank an den Gmeiner Verlag.
Krimi Anthologie
Gmeiner Verlag | ISBN 978-3-8392-0128-2
2022
Paperback
416 Seiten
gmeiner-verlag.de