Zwei Dinge sollte man wissen, bevor man sich der Lektüre des aktuellen Romans von Robert Preis widmet.
Zum einen: “Der Tod ist ein Spieler aus Graz” ist eine Neuauflage seines 2001 im federfrei-Verlag erschienen “Trost und Spiele”. (Déjà-Vu-Momente sind also während des Lesens nicht auszuschließen.)
Zum anderen: Es zahlt sich dennoch aus, das Buch ein zweites Mal zu lesen – zum ersten Mal ohnehin.
Armin Trost ist leitender Ermittler bei der Grazer Polizei. Wir lernen jene Version der Figur kennen, die sein Autor ursprünglich zu Papier brachte und noch ohne die charakterlichen Entwicklungen der folgenden Romane. Trosts Markenzeichen sind sein roter Bart und sein Eigensinn. Er ist verheiratet, Vater zweiter Kinder, seine Frau Charlotte ist gerade mit dem dritten schwanger.
Schon zu Beginn ist er abgekämpft, steht kurz vor einem Burnout und will den Polizeidienst quittieren. Unter seinen Kollegen gilt er als exzentrisch und ist nicht besonders beliebt. Trost wirkt wie ein Held, der gerade erfährt, dass es nicht unbegrenzt möglich ist, sich im Kampf für die Gerechtigkeit selbst aufzuopfern. Würde er schon nach einem Kapitel beschließen, lieber für ein Jahr zu verreisen, anstatt einen Mord aufzuklären, wäre das vollkommen glaubhaft, würde aber den Roman rasch beenden. Der Autor lässt seiner Hauptfigur daher keine Wahl, von den Mördern wird Armin Trots Familie direkt bedroht.
Derart aus dem ohnehin schon instabilen Gleichgewicht gebracht, handelt Trost irrational, trifft Entscheidungen wider besseren Wissens. Dabei wirkt er wie jener Typ Filmheld, der seine Mitstreiter in entscheidenden Momenten beschwört, ihm zu vertrauen. Was im Film aber üblicherweise die Wendung zum Guten bringt, geht bei Armin Trost daneben. Robert Preis stellt klar, er nicht bereit ist, sich an die vertrauten Hollywood-Gesetzmäßigkeiten zu halten.
Ursprünglich war der Roman als Märchen geplant, wie Robert Preis im Nachwort erzählt. Einen essentiellen Platz nimmt daher ein Umfeld ein, das der Phantastik so nahe wie möglich kommt, ohne unsere Welt zu verlassen: Auf Mittelalter-Rollenspielen schlüpfen die Teilnehmer in die Rolle einer für diese Zeit typischen Figur (etwa König, Ritter, Zofe oder Minnesänger) und folgen mit viel Improvisation einer vorgegebenen Geschichte. Die Mitspielenden stammen aus allen gesellschaftlichen Schichten und schätzen den kurzen Urlaub vom Alltag.
Immer wieder tauchen im Roman gnadenlos überzeichnete Figuren auf. Ein Freund der Hauptfigur entspricht punktgenau dem Klischeebild eines zerstreuten Künstlers, der Vater des Mordofers ist ein in seinen Büchern vergrabener Archivar, der Besuchern eine philosophische Diskussion über die Beschaffenheit der Wirklichkeit aufdrängt. Der Autor ordnet damit seinen Roman in die Reihe jener österreichischen Krimis ein, als deren Charakteristika ein skurriler Humor und ein Hang zum Morbiden gelten. Gleichzeitig verstärken diese etwas außerhalb der Welt positionierte Figuren das Märchenhafte, das mit der Krimihandlung verbunden ist. Die Nahtstellen zwischen den Genres bleiben bewusst sichtbar. Der Text wirkt wie ein oft getragenes Kleidungsstück, nicht mehr ganz sauber, an einigen Stellen schon abgenutzt, aber vertraut und immer dann gewählt, wenn es beim Tragen nicht zwicken soll. Diese banale Alltäglichkeit ist das Gegenteil eines sterilen Designs und verleiht dem Roman seinen eigenen Reiz.
Das Szenario, das sich ihm darbietet, ist irrwitzig. Da stehen zwei käsebleiche, adipöse Männer einander geenüber, die sich wangenküssend umarmen wie Schulmädchen in der Unterstufe und dabei beinahe auch so kreischen. Dort schleift ein gewaltiger Kerl in schwarzem Lackkostüm eine Kugel an einer Eisenkette hinter sich her. (S. 114)
Mit Vorfreude arbeitet der Autor auf einen kleinen Höhepunkt hin, als Armin Trost selbst an einem Mittelalterfest teilnimmt. Er will das Umfeld, in dem sich der Mord ereignet hat, selbst erfahren, kann aber sein Unverständnis nicht verbergen.
Trost findet, das ist alles wirklich schlecht gespielt. Er kommt sich zunehmend dämlich vor. Im Schauspielhaus, in der Oper, im Kino, überall kann er sich Geschichten anschauen. Vo Profis, von Leuten, die ihr Handwerk verstehen. Aber das? Die Texte der Beteiligten wirken nicht einmal wie auswendig gelernt. Es sidn vielmehr spontane Dialoge von Menschen, die so tun, als lebten sie in einer anderen Zeit. (S. 120)
“Ein riesiger Maskenball mit Drehbuch. Nichts anderes ist das hier”, resümiert Trost schließlich.
Persönliches Fazit
“Der Tod ist ein Spieler aus Graz” von Robert Preis ist eine Gelegenheit, Armin Trost neu oder wieder kennenzulernen. Von Beginn an abgekämpft, wirkt er wie ein Uhrturm-Wallander, eine steirische Version des aus skandinavischen Krimis bekannten mit sich und der Welt hadernden Ermittlertyps.
© Rezension: 2021, Wolfgang Brandner
Blogtransparenz: unbezahlte Werbung; kostenloses Rezensionsexemplar vom Verlag – vielen Dank an den Emons Verlag.
Kriminalroman
Emons Verlag | ISBN: 978-3-7408-1334-5
2022
Klappenbroschur
240 Seiten
emons-verlag.de
1 comment
Das sieht aber spannend aus;)