Isabella Archan | Sterz und der Mistgabelmord

by Wolfgang Brandner
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Isabella Archan | Sterz und der Mistgabelmord

Nach Jahren bei Europol in Deutschland kehrt Ferdinand Sterz in die Steiermark zurück. Aber das Wiedersehen mit seiner alten Heimat ist alles andere als einfach: Sein bester Freund aus Jugendtagen wurde brutal mit einer Mistgabel erstochen. Inspektor Sterz will den Fall unbedingt lösen. Doch die Grazer Polizei-Kollegen sind ihm gegenüber skeptisch. Zusammen mit seiner neuen Kollegin Gitte Busch ermittelt er auf Hochtouren, doch keine der Spuren scheint mit der Tat zusammenzupassen. Unerwartet geschieht ein zweiter Mord, nicht weniger grausam. Kann er dieses Rätsel lösen? [Text & Cover: © Servus Verlag]

Isabella Archan ist in Graz geboren und arbeitet als kreatives Multitalent in Köln. Als Autorin ist sie bekannt für liebenswerte Figuren mit originellen Namen und ebensolchen Eigenarten, zuletzt umgesetzt in ihrer Serie um die “Mörder-Mitzi”. Ihr Markenzeichen sind Figuren, die sich mit Bezug sowohl zur Steiermark als auch zu Köln an einem Plural des Begriffs Heimat versuchen, analog zu ihrerer eigenen Biographie. Auch der Held des aktuellen Romans mit Namen Ferdinand Sterz war beim Landeskriminalamt Graz beschäftigt, ehe ihn ein Karrieresprung zu Europol nach Deutschland führte. Um den brutalen Mord an einem Jugendfreund aufzuklären, kehrt er zu seinen Wurzeln zurück – und damit auch zu ungelösten Konflikten.

Rustikaler geht es kaum

Der Roman von Isabella Archan trägt das Etikett “Steiermark-Krimi”, das Cover mit Bauernhof, Mistgabeln und gebirgigem Hintergrund unterstützt die Einordnung in das Genre. Erwartungsgemäß präsentieren sich auch die Zutaten der Geschichte: Ein Bauer wird – der Titel verrät es bereits – mit einer Mistgabel ermordet. (Viel rustikaler geht es kaum.) Die meisten Figuren reden im Dialekt, vor allem, wenn sich der Dialog spontan entwickelt. Ferdinand Sterz, der aus der deutschen Großstadt in die steirische Heimat zurückkehrt, erinnert an das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn.

Diese Figur verkörpert damit auch einen doppelten Gegensatz, einerseits jenen zwischen der deutschländischen und einer spezifischen österreichischen Variante der deutschen Sprache, andererseits jenen zwischen Stadt und Land (mit allen dazugehörigen Konnotationen). Zuhause angekommen, begegnet Sterz seiner alten Jugendliebe Lena, die Möglichkeit, die Beziehung wieder aufzunehmen, scheint nicht ausgeschlossen. Mit seinem Vater August, einem alten Sturschädel hat sich Sterz dereinst zerstritten, eine Aussöhnung ist ein ebenso erwartbarer Bestandteil des Romans wie die Aufklärung des Verbrechens. Selbstredend dürfen in einem Regionalkrimi auch Landschaftsbeschreibungen hart an der Grenze zum Kitsch nicht fehlen.

Isabella Archan mit den Klischees

Isabella Archan scheint also vordergründig Stereotypen vor sich und ihrer Leserschaft auszubreiten. (Kritische Geister würden vielleicht die Abwesenheit eines liebestollen Wilderers bemängeln.) Unter der Oberfläche allerdings bricht Isabella Archan mit Klischees. Scharf gezeichnete Details und kleinere Nuancen lassen das dörfliche Idyll verrutschen. Die Geschichte verästelt sich immer wieder in kleine Nebenhandlungen, die für die Aufklärung des Mordes nur bedingt relevant sind, aber das Buch lebendiger, mehrdimensionaler gestalten. So erweist sich etwa das Mordopfer nicht als wettergegerbter Gutsherr, sondern als langsam finanziell ausblutender feinsinniger Schöngeist. Der Heimatbegriff ist kein Familienerbstück im Herrgottswinkel, sondern wächst und formt sich mit dem Leben seines Trägers.

Der August liebt dich. Hat dich vermisst. Leidet. (…) Du bist ihm so ähnlich. Hast dich genauso verkrochen in deinem Schmerz wie er. Dein Schneckenhaus steht halt in Köln und nicht in Raaba. (S. 154)

Aufgrund eines Traumas weigert sich Ferdinand Sterz, ein Auto zu steuern und weist somit auf den ersten Blick für die Hauptfigur eines Regionalkrimis einen entscheidenden Makel auf: Er ist scheinbar in seiner Handlungs- und Bewegungsfreiheit eingeschränkt, auf andere angewiesen, kaum in der Lage, aus eigener Initiative zu handeln. In Gegenden, in denen die Wege weit und nicht immer asphaltiert sind, wird ein eigenes Fahrzeug zum Symbol für Handlungsfreiheit, mancherorts sogar für Virilität. Sterz hingegen nutzt aus Gewohnheit öffentliche Verkehrsmittel und hat gelernt, die Wartezeiten mit kleineren Erledigungen zu füllen. Ein Ermittler, der nicht rechtzeitig zur Stelle ist, weil er einen Bus versäumt, mag anderswo als Parodie dienen. Bei Isabella Archan ist hingegen die für eine motorisierte Verfolgungsjagd ungeeignete Hauptfigur ein angenehmer Bruch mit dem Gewohnten.

Für den zweiten Mord reduziert die Autorin ein Kapitel lang das Erzähltempo. In Zeitlupe schildert sie die Gedanken, die dem Opfer in seinen Momenten durch den Kopf gehen, den Versuch, die Tat zu rekonstruieren, die Weigerung, deren Konsequenzen zu akzeptieren. Ein ähnliches Verbalgemälde ist aus der “Mörder-Mitzi”-Reihe bekannt. Das Stilmittel lässt beim Lesen kurz den Atem anhalten, ehe der Kopffilm wieder in gewohnter Geschwindigkeit weitergeht.

Tränen stiegen auf. Er war schwer, tödlich getroffen. Wenn er jetzt nicht sofort Hilfe bekam, würde er heute seinen letzten Kaffee mit Schlagobers und Zimt getrunken haben.  (S. 179)

Persönliches Fazit:

“Sterz und der Mistgabelmord” von Isabella Archan ist ein hintergründiger Heimatkrimi. Er beginnt klischeehaft, wirkt auf den ersten Blick vorhersehbar, wie schon etliche Male gelesen. Der Eindruck verfliegt schnell, mit fortschreitender Handlung überzeugt die Geschichte mit charmanten Figuren und genreuntypischem Detailreichtum.

© Rezension: 2023, Wolfgang Brandner

Blogtransparenz: unbezahlte Werbung; kostenloses Rezensionsexemplar vom Verlag – vielen Dank an den Servus Verlag

Sterz und der Mistgabelmord
Isabella Archan
Servus Verlag | ISBN: 978-3-7104-0308-8
2022
Kartoniert, Paperback
352 Seiten
www.beneventopublishing.com
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