Rezension: Schneestill | Anna Stern

by Marcus Kufner
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Eine atmosphärische Suche nach der Wahrheit.

Im  winterlichen Paris begegnet der Student Roel in einer Bar der geheimnisvollen Théa, deren melancholische Erscheinung ihn fasziniert. In einem Zeitungsartikel über eine soeben aus dem Gefängnis entlassene Frau, welche des Kindsmordes angeklagt war, erkennt er am nächsten Tag Théas Gesicht wieder. Da ihn die Geschichte nicht mehr loslässt und er an der Schuld der jungen Frau zweifelt, will er der Wahrheit nachgehen. Bei dieser Entscheidung spielt auch ein von Théa aus Papier gefalteter Schwan eine bedeutende Rolle. Roels Suche durch die schneebedeckten Straßen von Paris führt ihn zu einem herrschaftlichen Haus, wo er Théa auch tatsächlich wiedertrifft. Im Laufe eines kalten Winterabends gewinnt Roel schließlich Théas Vertrauen und erfährt ihre Version der Geschichte. Doch handelt es sich hierbei auch wirklich um die Wahrheit? Geschah bei diesem Mordfall ein Justizirrtum oder leidet die junge Frau an Realitätsverlust? [© Text und Cover: Salis Verlag]

Sie geht ihm nicht mehr aus dem Kopf, diese mysteriöse und faszinierende Unbekannte, der Roel in einem ziemlich heruntergekommenen Bistro begegnet. Er ist geschockt, als er ihr Bild in der Zeitung entdeckt und erfährt, dass sie gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde. Er ist hin und her gerissen zwischen dem Entsetzten gegenüber der Tat und dem Unglauben, dass diese zarte junge Frau eine Mörderin sein soll. Aber er kann es nicht lassen, er macht sich auf die Suche nach ihr. Nachdem er sie gefunden hat und sie nach dem Mord gefragt hat, erzählt sie ihm davon. Es ist hart, die Details dazu zu hören, ist es doch eine furchtbare Sache, wenn es um tote Kinder geht. Ob sich die Ereignisse allerdings so zugetragen haben, wie Théa sie schildert, ist die entscheidende Frage…

Die Charakterisierung ist eine der Stärken dieses Buchs. Roel ist mit sich und seiner Lebenssituation nicht sonderlich glücklich. Und er ist unsicher, ob er Théa ansprechen soll, würde es aber auf jeden Fall bereuen, wenn er es lassen würde. Das macht ihn für mich zu einem sympathischen und glaubwürdigen Protagonisten. Und Théa ist mit ihrer Art eine sehr ungewöhnliche Person. Da geht es mir wie Roel, ich will auch mehr von ihr erfahren.

„Für einen Moment schloss er die Augen. Gierig atmete er den Geruch des Feuers, des sterbenden Holzes und der gefangenen Buchstaben und Geschichten ein. Gab es etwas Schöneres als einen Raum voller Bücher? Und dazu das Flüstern eines warmen Feuers und die leisen, leicht melancholischen Klänge einer Musik, die glücklich machte?” (S. 96)

Bei manchen Büchern fragt man sich, was der Text mit dem Titel zu tun hat. Bei „Schneestill” passt der Name perfekt. Drückt er doch die Stimmung aus, die von dem verschneiten und kalten Paris ausgeht. Anna Stern erzeugt mit einem schnörkellosen und trotzdem poetischen Schreibstil eine ruhige und melancholische Atmosphäre. Da komme ich mir fast so vor, als wenn ich mit am Glühweinstand stehen würde.

 

Persönliches Fazit

Ein wundervoller Debütroman! Roel, auf der Suche nach der Wahrheit, und Théa, die vermeintliche Mörderin, sind interessante Charaktere. Mit ihrer schönen, klaren Sprache erzeugt Anna Stern eine besondere Atmosphäre. „Schneestill” war für mich ein besonderer Lesegenuss.

© Rezension: 2016, Marcus Kufner

 

Schneestill
Anna Stern
Roman
Salis Verlag - ISBN: 9783906195179
2014
gebunden, 256 Seiten
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Rezension: Wild wie die Wellen des Meeres | Anna Stern - Buecherkaffee.de 17. Februar 2019 - 19:23

[…] „Schneestill“ hat Anna Stern schon mit ihrem Debütroman nicht nur bei mir für Aufmerksamkeit gesorgt. […]

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