Mit „Was ich euch nicht erzählte” hat Celeste Ng ein bemerkenswertes Debüt vorgelegt. Die Familiengeschichte mit dem dramatischen Ende hat mich überzeugen können. Jetzt ist mit „Kleine Feuer überall” ihr zweiter Roman erschienen. Klar, dass ich den nicht verpassen wollte.
Das neue Buch ist ähnlich strukturiert wie das erste: es beginnt mit dem Brand des Hauses der Richardsons recht dramatisch und geht dann in der Zeit zurück, um zu erklären, wie es dazu kam. Wir lernen die Richardsons und ihre vier Kinder kennen, ihre Vorlieben, ihre Wünsche und Hoffnungen, aber auch ihre Macken und Schwächen. Sie führen ein Leben, das man wohlsituiert nennen kann: angenehme Nachbarn, die besten Schulen, ein großes Haus und ein ansehnliches Einkommen. Das ist genau das Leben, das Mrs Richardson immer für sich vorgestellt hat. Ein Leben mit einer großen Familie in Shaker Heights, einem Retortenvorort von Cleveland, in dem man sich nicht mit den Problemen, wie sie in anderen Stadtteilen bestehen, rumärgern muss. Eine wunderbare Vorlage für soziale Konflikte!
„Wer das Glück hatte, in Shaker zu wohnen, durfte sich in der schönsten Gemeinde Amerikas wähnen. Wenn man dort, wie ein Bewohner einmal sagte, beim Schneeschaufeln in der Einfahrt seinen wertvollen Diamant-Hochzeitsring verlor, kam im nächsten Moment ein Service und brachte die gesamte Schneewehe in eine städtische Autowerkstatt, wo sie zur Bergung des Schatzes unter Wärmelampen geschmolzen wurde.” (S. 181)
Elena Richardson gehört ein weiteres kleines Haus am Rand von Shaker Heights. Und weil sie sich selbst als guten Menschen sieht, vermietet sie es gerne an mehr oder weniger Bedürftige. Man hilft ja, wo man kann! Ihre neuesten Mieter sind Mia Warren und ihre Tochter Pearl. Die schüchterne Pearl freundet sich mit dem gleichaltrigen Moodie Richardson an. Damit beginnt eine Verbindung zwischen den beiden Familien, die mit der Zeit immer stärker wird und alle vier Kinder der Richardsons einbindet. Dabei prallen zwei Lebenskonzepte aufeinander: Elena Richardsons perfektes Vorortleben und Mia Warrens unstetes Nomadendasein. Lieber arm und frei als reich und gebunden? Als Elena den Grund für Mias fluchtartigen Lebensstil herausfinden will, tritt sie Ungeahntes los.
Celeste Ng stellt auch bei ihrem zweiten Roman ihre Stärken unter Beweis: die Charakterisierung ihrer Protagonisten ist sehr lebensnah und deren Entscheidungen absolut nachvollziehbar. Das bringt mich sehr nah an sie heran und dementsprechend verfolge ich gebannt ihre Lebenswege. Sie nimmt sie ernst, auch bei dummen Entscheidungen, und wird nie besserwisserisch. Außerdem verwebt sie die Geschichten der Familien klug miteinander und packt einiges hinein wie soziale Differenzen, verschiedene Lebenskonzepte oder Fragen nach Fehlern und Schuld. Ihre Erzählweise ist dabei sehr kurzweilig.
Persönliches Fazit
Celeste Ng beweist sich wieder als gute und feinfühlige Beobachterin. Bei der ausgezeichneten Charakterisierung erkenne ich bei ihrem zweiten Buch ihre Handschrift wieder. Das in Verbindung mit einem gut gewobenen Plot macht „Kleine Feuer überall” zu einer fesselnden Lektüre.
© Rezension: 2018, Marcus Kufner
Roman
dtv Verlag - ISBN: 9783423281560
2018
gebunden, 368 Seiten
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